VfB Logo mit Claim Wasserzeichen
Access Keys:
Offizielle Website des VfB Stuttgart
Profis, 29. April 2022

„Jede Aktion annehmen, als wäre es die letzte“

Als Innenverteidiger, Außenverteidiger oder Sechser, als Kapitän und emotionaler Motivator – Waldemar Anton fokussiert sich positionsunabhängig stets auf sein Leistungsmaximum. Im Interview spricht er über die Kombination aus Disziplin und Mut, seinen Umgang mit Rückschlägen und darüber, wie er als Kind über Karate zum Fußball gefunden hat.

Hallo Waldi, nach Berlin ist vor Wolfsburg. Wie fühlst du dich?

Waldemar: „Wir sind sehr enttäuscht über den Spielverlauf bei Hertha BSC, haben uns das Spiel anders vorgestellt und andere Dinge vorgenommen. In den ersten Minuten waren wir einfach nicht da, haben die Zweikämpfe nicht angenommen, sind läuferisch nicht an die Grenzen gegangen und mussten dann einem frühen Rückstand hinterherlaufen. In so einem Spiel sind die Basics mit das Entscheidende. Wir müssen uns ankreiden, dass wir viel zu wenig gemacht haben.“

An welchen Stellschrauben muss gedreht werden?

Waldemar: „Wir müssen einfach in jeder Aktion voll da sein und sie annehmen, als wäre es die letzte – sei es ein Zweikampf, Laufduell, Torschuss oder ein Pass im letzten Drittel. Und zwar zu 100 Prozent, nicht nur zu 98 oder 99 Prozent.“

Wie gehst du allgemein mit Rückschlägen oder Niederlagen wie solchen um? Abhaken oder Analyse?

Waldemar: „In erster Linie schaue ich mir das Spiel nochmal an – unabhängig davon, ob wir gewinnen, verlieren oder unentschieden spielen. An freien Tagen versuche ich jedoch abzuschalten, um anschließend befreiter in die neue Woche zu starten. Fußball ist ein sehr schnelles Geschäft, in dem es Woche für Woche darum geht, seine Bestleistung abzurufen. Man lernt, Spiele abzuhaken.“

Also: Haken dran und Fokus auf Wolfsburg?

Waldemar: „Wir haben jetzt noch drei Spiele vor uns und müssen den Blick nach vorn richten. Die Partie gegen Wolfsburg vor heimischer Kulisse ist sehr wichtig für uns. Es wird ein schweres Spiel, aber wenn wir den Weg gehen, den wir alle gemeinsam eingeschlagen haben, und alles geben, bin ich sehr optimistisch.“

Können unsere Fans für einen zusätzlichen Push von den Rängen sorgen?

Waldemar: „Man spricht nicht ohne Grund vom 12. Mann. Ich glaube, das wird auch in diesem Heimspiel so sein und ist für uns als Mannschaft auch sehr wichtig. In den vergangenen Wochen haben unsere Fans gezeigt, dass sie zu 100 Prozent hinter uns stehen und ich hoffe und wünsche mir, dass das Stadion wieder ‚brennt‘ und wir am Ende zusammen die drei Punkte feiern können.“

Gib uns mal einen Einblick in den Waldi auf und neben dem Spielfeld.

Waldemar: „Das ist ein großer Unterschied. Auf dem Platz bin ich sehr emotional und laut – außerhalb bin ich eher ein ruhiger Typ.“

Welche Rolle spielt Disziplin dabei für dich?

Waldemar: „Für mich ist Disziplin sowohl auf als auch neben dem Platz sehr wichtig. Gerade im deutschen Fußball, der oftmals sehr taktisch geprägt ist, ist es wichtig, dass man sich auf den Teamkollegen verlassen kann. Dadurch kann man Kräfte sparen und erzielt dennoch den größten gemeinsamen Effekt.“

Worin siehst du deine Stärken im Spiel?

Waldemar: „Ich habe sehr viel an meinem Spielaufbau und an meiner Antizipation gearbeitet. Beides, würde ich sagen, gehört zu meinen Qualitäten im Spiel.“

Im Auswärtsspiel gegen Mainz 05 musste Wataru, der sonst eigentlich immer da ist, in dieser Saison erstmals pausieren – du warst Kapitän. Beschreibe uns deine Rolle im Team.

Waldemar: „Ich versuche, auch unabhängig von der Kapitänsbinde, sehr viel Verantwortung innerhalb der Mannschaft zu übernehmen. Und ich glaube, dass das auch sehr wichtig ist, da ich einer der älteren Spieler in unserem jungen Team bin. Das ist meine Aufgabe und ich bin als Typ auch eher einer, der das Drumherum wahrnimmt, um das Beste aus der Mannschaft herauszuholen.“

Gibt es Idole, von denen du dir in Sachen Mentalität etwas abgeschaut hast?

Waldemar: „Ich hatte früher einige Vorbilder, unter anderem Sergio Ramos, Gerard Piqué oder Arturo Vidal. Zuletzt habe ich mir ein paar Videos von Radja Nainggolan angeschaut. Das sind alles Spieler, die viel Mentalität aufs Feld bringen.“

Welche Skills hast du dir abgeschaut?

Waldemar: „Die Zweikampfhärte. Und, dass man jedes Spiel und jeden Zweikampf, bestenfalls ohne Foul, gewinnen möchte.“

Bei Hannover 96 hast du bereits auf der Sechs gespielt, beim VfB warst du auf der Innen- oder Außenverteidigerposition gesetzt, bevor du gegen Mainz 05 erstmals auch als Sechser ranmusstest. Welche Position favorisierst du?

Waldemar: „Generell versuche ich, unabhängig von meiner Position, immer 100 Prozent zu geben. Spaß macht mir die Position am meisten, bei der ich noch mehr im Spiel bin – und das ist auf der Sechs. Aber in erster Linie geht es mir darum, meine Bestleistung für die Mannschaft abzurufen und das ist das Entscheidende.“

Worin siehst du die größten Unterschiede zwischen Innenverteidiger und Sechser?

Waldemar: „Der größte Unterschied ist das Läuferische. Als Sechser bist du einfach viel mehr in Bewegung und hast das Spiel eher um dich herum als vor dir. Generell sind die Anforderungen für beide Positionen aber recht ähnlich. Auf der Sechs bist du, wie auch als Innenverteidiger, am Spielaufbau beteiligt.“

Welcher Gegenspieler hat dich bisher besonders gefordert?

Waldemar: „Das war Haris Seferovic zu meiner Anfangszeit, in der ich noch wenig Erfahrung hatte. Er war einer der ersten Stürmer, gegen den ich damals gespielt habe. Zweikämpfe gegen ihn waren echt eklig zu führen.“

In dieser Saison standest du in 26 von 31 möglichen Bundesligaspielen auf dem Platz – pausieren musstest du selten. Wie hältst du dich fit?

Waldemar: „Ich mache sehr viel für meine Fitness – dazu gehört, das Training aufzuarbeiten, zu regenerieren und auch am freien Tag etwas zu Hause zu tun. Entscheidend ist auch, gut zu essen und zu schlafen. Letzteres klappt manchmal dann mit meinen zwei Kindern nicht ganz so gut. (lacht) Aber das ist dann am Ende auch einfach Kopfsache.“

Dein Lieblings-Emoji auf Social-Media ist das Berg-Icon. Was bedeutet das für dich?

Waldemar: „Angefangen hat es durch einen meiner ersten Instagram-Beiträge. Auf dem Bild ist ein Eisberg zu sehen, der impliziert, dass viele Menschen immer nur die Spitze des Eisbergs sehen und nicht den Teil, der unter dem Wasser verborgen ist, auf dem aber alles aufbaut und der die Spitze trägt.“

Wie verbindest du das mit deiner Profikarriere?

Waldemar: „Viele Menschen haben zu mir auf dem Weg zum Fußballprofi gesagt: Du hast ein schönes Leben vor dir, du bist sportlich, dir geht es gut und verdienst viel Geld. Ja, das ist die beschriebene Spitze des Berges, die zu sehen ist. Was sich aber unter dem Berg befindet und wie fest ein Berg sein muss, damit er wachsen kann, sehen die wenigsten. Dazu gehört beispielsweise, stets an gesteckten Zielen festzuhalten, Abstriche zu machen, fokussiert zu bleiben aber auch mal zu scheitern. Das Berg-Icon ist ein Symbol, das mich schon sehr lange prägt.“

Wenn wir uns deine sportlichen Anfänge anschauen, war Fußball nicht deine erste Wahl, als Kind wolltest du zum Karate-Training. Wie kam es zu dem Wandel?

Waldemar: „Das ist eine witzige Geschichte. Als Sechsjähriger wollte ich eigentlich Kampfsport betreiben, das habe ich meinem Vater auch immer gesagt. Dann sind wir zum Karate-Training gefahren. Dort angekommen habe ich gesehen, dass die Kids Klimmzüge und Liegestütze machen müssen und das konnte ich damals gar nicht. Dann habe ich sofort gesagt: ‚Weg hier!‘ – und bin dadurch zum Fußball gekommen.“

Du bist ein Café-Gänger. Hast du Lieblingsecken in Stuttgart und Umgebung?

Waldemar: „Ich bin ein Stadtkind und gerne in der Stuttgarter City unterwegs – am Schlossplatz zum Beispiel. Wir gehen aber auch gern in den Weinbergen spazieren. An der Grabkapelle mit Blick über Stuttgart waren wir zuletzt öfter. Ich mag den Mix aus Grünfläche und City.“

Zurück zum Saisonendspurt. Auf was kommt es auf den letzten Metern an?

Waldemar: „Wir müssen eine Siegermentalität auf den Platz bringen und schauen dabei nur auf uns. In der Umsetzung gehört dazu in erster Linie, die Basics abzurufen. Hinzu kommt, Zweikämpfe gewinnen zu wollen, die auch mal wehtun, und läuferisch ans Limit zu gehen. Dazu müssen wir höchst fokussiert und konzentriert sein, uns aber auch was zutrauen, mutig sein und auch mal ins Risiko gehen.“

Ist das eine Frage von Selbstbewusstsein oder Training?

Waldemar: „Von beidem etwas. Selbstbewusstsein holst du dir natürlich, wenn dir im Training oder Spiel etwas sehr gut gelingt. Man ist mutiger und spielt auch mal den Risikopass. Aber natürlich ist es auch eine Trainingssache. Unabhängig davon: Auch wenn uns etwas nicht gelingt, sind wir in der Lage, die Aktion abzuhaken und weiterzumachen, bis es funktioniert. Das haben wir auch in den letzten Wochen oft gezeigt.“

In diesem Sinne: Gemeinsam ins drittletzte Kapitel gegen den VfL Wolfsburg. Gemeinsam: Dranbleiben. Drinbleiben.