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2012 21. Dezember 2012
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Profis, 21.12.2012

"Das Kalenderjahr 2012 war ein sehr gutes"

Die Winterpause ist gestartet und der VfB Sportdirektor Fredi Bobic blickt auf die vergangenen Monate zurück. Er sagt: "Zwischendurch tut ein Schrei gut."

"Der nicht mit den Wölfen heult": so war der Titel über einem Porträt auf Spiegel online mit Ihnen. Zufrieden?
Fredi Bobic: "Außer dass ich wenig mit Wölfen zu tun habe, die woanders sind, lege ich nicht viel Wert auf solche Einschätzungen. Jeder sollte seine eigene Linie durchziehen. Unsere Linie, alles im ruhigen Fahrwasser zu halten und für Substanz in der Zukunft zu sorgen, werden wir beibehalten. Niemand braucht Angst um den Verein zu haben, wir sind auf einem guten Weg. Das Kalenderjahr 2012 war jedenfalls ein sehr gutes."

Nun sollen Sie selbst einmal Journalist spielen. Welche Überschrift geben Sie der Hinrunde 12/13?
Fredi Bobic: "Das ist gar nicht so einfach. Man könnte sagen, dass der VfB einen richtig guten sportlichen Erfolg hatte – mit dem Einzug in die K.o.-Runde der Europa League, mit dem Überwintern auf einem Tabellenplatz in der Liga, der alle Wünsche offen lässt, und mit der Qualifikation für das DFB-Pokal-Viertelfinale, in dem wir erfreulicherweise erneut daheim spielen. Darüber hinaus sind wir auch mit dem Los KRC Genk nicht unglücklich."

Sie sprechen vor allem die Ergebnisse an, die im Fußball letztendlich zählen. Blicken wir aber auch einmal auf die fußballerische Leistung, was könnte diesbezüglich noch besser werden? Die Mannschaft hatte ab und an zum Beispiel Probleme mit tiefstehenden Gegnern.
Fredi Bobic: "Wir haben den kompletten Mix, die komplette Palette gezeigt, was mit der Truppe möglich ist und was Fußball ausmacht. Wie begeistert man Fußball spielen kann, wie man aber auch Arbeitssiege schafft, enge Spiele gewinnt. Das haben wir dazu gelernt. Darüber hinaus haben wir auch gezeigt, dass wir an schlechten Tagen ganz klare Niederlagen einstecken können. Daraus sind wir aber auch wieder erstarkt."

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Bitterer Moment: das Heimspiel gegen Hoffenheim

Sie sprechen von der kompletten Palette des Fußballs, also auch von Hochs sowie Tiefs. Die abgelaufene Halbserie ist ein wenig mit einer Berg- und Talfahrt vergleichbar. Welcher war für Sie der bitterste, welcher der schönste Moment in der Hinrunde 12/13?
Fredi Bobic: "Schlecht verlief sicherlich der Saisonstart. Die Ergebnisse haben im Vergleich zu dem, was die Mannschaft abgerufen hat, nicht gestimmt. Wir haben uns selbst in Schieflage gebracht und da sticht natürlich so ein Heimspiel wie gegen Hoffenheim heraus. Auch das Hoch kann man nicht nur an einer Partie festmachen, aber beeindruckend waren sicherlich Spiele wie in Bukarest und Kopenhagen, als wir unter großem Druck gewonnen haben, die Tatsache, dass wir den Deutschen Meister geärgert haben, oder der tolle Sieg gegen Schalke, der auch ein schöner Moment war."

Ein besonderer Moment war indes die sogenannte Wutrede von Bruno Labbadia. Wie bewerten Sie mit zeitlichem Abstand diese Pressekonferenz?
Fredi Bobic: "Die Botschaft ist absolut angekommen. Jeder hat es verstanden, jeder konnte sich einmal selbst hinterfragen. Ich glaube, dass es gut ist, zwischendurch auch einmal Tacheles zu reden, vielleicht auch ein wenig über das Ziel hinauszuschießen. Das muss jedem gestattet sein und war zu diesem Zeitpunkt auch angebracht. Wir sind danach jedenfalls weiter entspannt mit der Situation umgegangen und haben uns auf das Sportliche konzentriert. Aber auch ein Schrei tut zwischendurch eben mal gut."

Glauben Sie, dass dies der Mannschaft geholfen hat?
Fredi Bobic: "Sie hat danach jedenfalls nicht schlechter gespielt, sondern besser."

Sie sind trotz der anfänglichen Pfiffe, trotz Presseartikel, die teilwiese schon von Endspielen für Bruno Labbadia sprachen, immer ruhig geblieben, haben auch in schwierigeren Abschnitten von einer Vertragsverlängerung gesprochen. Was hat Sie immer so sicher gestimmt?
Fredi Bobic: "Sicher gestimmt hat mich einfach, dass die Spieler immer viel abrufen und investieren, sodass man sehen konnte, dass die Mannschaft lebt, dass eine Hierarchie wächst, die wir mitangestoßen haben und die weiter wachsen wird, dass die Jungs in jeder Lage voll mitziehen und sich nach Niederlagen auch selbst hinterfragen. Sie nehmen diese nicht als Normalität hin, sondern wollen gestärkt daraus hervorgehen. Außerdem klappt die Arbeit mit dem Trainerteam sehr harmonisch. Aufgrund all dieser Fakten stelle ich auch in einer schwierigeren Phase nicht plötzlich alles in Frage."

Bruno Labbadia verglich seine Mannschaft häufig mit einer abgelaufenen Felge. Nun haben die Spieler mal zwei Wochen frei. Reicht das, um sich zu erholen? Sie können das als ehemaliger Spieler ja beurteilen.
Fredi Bobic: "Ja, vor allem kann man sich mental erholen, damit der Akku wieder voll ist. Das ist wichtig. Wenn man einmal zwei Wochen nicht in dieser Mühle drin ist, kann man vom Kopf her durchaus abschalten. Man kann natürlich körperlich ebenfalls auftanken. Insgesamt muss man den Spielern einfach mal zugestehen, dass sie 14 Tage lang bestenfalls nichts vom Fußball lesen oder hören und nicht darüber diskutieren."

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Toller Moment: der Heimsieg gegen Schalke

Im Vorfeld der Partie gegen Köln hat uns ein FC-Fan gesagt, dass die Anhänger aus der Karnevalshochburg in der aktuellen Situation des VfB schon den Rathaus-Balkon für die Champions-League-Qualifikationsfeier kehren würden, im VfB Umfeld derweil eher mal nach unten geschielt wird. Wie empfinden Sie die Presse-, Vereins- und Fan-Landschaft in Stuttgart?
Fredi Bobic: "Die ist immer sehr anspruchsvoll. Aufgrund der Erfolge in den vergangenen Jahren wird hier erwartet, dass der Klub immer in Europa dabei ist. Aktuell ist es aber so, dass wir wieder mehr versuchen mit der Basis zu arbeiten und wirtschaftlich nicht so viele Möglichkeiten haben wie andere Klubs. Damit wollen wir positiv umgehen und die Fans mitnehmen, aber es ist kein Selbstläufer mehr sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, weil mittlerweile viele andere Vereine mitmischen, was die Bundesliga ja auch so spannend macht. Dafür sollte das Umfeld ein Gespür entwickeln. Außerdem wissen wir, was wir tun müssen, damit wir auch zukünftig einen konkurrenzfähigen, starken VfB Stuttgart haben."

Das von Ihnen angesprochene Gespür im Umfeld würde auch mit einschließen, dass die Europa League als etwas Besonderes akzeptiert wird. Leider ist das Zuschauer-Interesse aber nicht groß gewesen. Sind Sie enttäuscht?
Fredi Bobic: "Ich würde mich freuen, wenn die Europa League irgendwann auch mal hier angenommen wird. Das ist schließlich ein interessanter Wettbewerb. In Bukarest hat man gesehen, wie geil die Stimmung sein kann. Es wäre toll, wenn man das nach Stuttgart transportieren könnte. Viele Vereine und Fans nehmen die Europa League viel positiver an, als das hier in Deutschland, und vor allem in Stuttgart, der Fall ist. Das ist leider so und ich habe relativ wenig Verständnis dafür. Aber wir selbst gehen mit dem Wettbewerb positiv um, weil es eine tolle Bestätigung und Leistung ist daran teilzunehmen."

Das Interesse der Fans ans Transfer-Gerüchten und -Nachrichten ist derweil stets groß, gerade in den Pausen. Welche Aussagen können Sie in diesem Punkt machen?
Fredi Bobic: "Maza wird aller Wahrscheinlichkeit nach in der Winterpause in seine Heimat zurückkehren. Wir sind aber sicher, dass Antonio Rüdiger und Benedikt Röcker diese Lücke schließen und uns in der Zukunft noch mehr Qualität liefern können. Ansonsten geben wir immer dann etwas bekannt, wenn es fix ist."

Außerdem kehren ja noch einige Spieler nach ihren langen Verletzungen zurück…
Fredi Bobic: "…genau. Wir haben sozusagen einige interne Neuzugänge – mit Daniel Didavi, später wieder Cacau und eventuell auch Johan Audel. Da drücken wir alle die Daumen. Außerdem setzen wir auch auf Tim Hoogland und Tunay Torun, die ja auch öfters mit Verletzungen zu kämpfen hatten."

Sie sind nun seit Juli 2010 Sportdirektor beim VfB. Als Stürmer haben Sie bestimmt harte Verteidiger genervt, was stößt Ihnen in Ihrer jetzigen Tätigkeit ab und an auf?
Fredi Bobic: "Eigentlich wenig. Es ist ein sehr umfangreicher und abwechslungsreicher Job, in dem vieles gewünscht, gemacht und verlangt wird. Man muss ständig den Spagat bewältigen, den sportlichen Erfolg bei der wirtschaftlichen Ist-Situation garantieren zu können. Da versuche ich eine gute Balance zu finden, das ist für mich das Wichtigste."

Bevor Sie sich weiter um diese Balance kümmern müssen, können auch Sie bestimmt über Weihnachten ein paar Tage entspannen. In der vorweihnachtlichen Zeit ist es üblich, Wünsche zu äußern. Was wünscht sich Fredi Bobic in seiner Funktion als Sportdirektor?
Fredi Bobic: "Manchmal würde ich mir ein paar mehr positive Emotionen von außen wünschen. Schließlich wird der VfB häufig in großen Teilen Deutschlands viel positiver gesehen als hier in Stuttgart."

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