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Verein, 27. Januar 2021

Information an die Mitglieder des VfB Stuttgart 1893 e.V.

Liebe Mitglieder des VfB Stuttgart 1893 e.V.,

ich richte mich als Präsident unseres Vereins an Sie, um eine Entscheidung verständlich zu machen, die ich in dieser Funktion nach unserer Satzung zu treffen habe. Danach bin ich für die Entscheidung darüber, ob und damit wann eine Mitgliederversammlung einberufen wird, zuständig. Die Einberufung der Mitgliederversammlung durch den Präsidenten des Vereins ist formal die entscheidende Basis dafür, dass auf dieser Versammlung rechtlich wirksame Beschlüsse gefasst werden können.

Wir alle wissen, dass für das laufende Jahr der Termin zur Nachholung der Mitgliederversammlung 2020 an sich mit dem 18.03.2021 bekannt gemacht worden ist. Diese Bekanntmachung hat keine rechtliche Wirkung und lediglich den Charakter einer Ankündigung, damit sich die Mitglieder grundsätzlich auf einen einige Monate später stattfindenden Termin einstellen können. Die rechtlich entscheidende „Einberufung“ erfolgt nach unserer Satzung durch Zusendung einer gesonderten schriftlichen Einladung per Mail oder per Post an jedes Mitglied bzw. durch Veröffentlichung im Mitgliedermagazin, das auch als Online-Magazin versandt werden darf. Die Einberufung auf diesen Wegen hat nach unserer Satzung unter Mitteilung der Tagesordnung fünf Wochen vor dem angekündigten Versammlungstermin stattzufinden. Für den 18.03.2021 wäre der späteste Versandtermin also der 10.02.2021.

Wie bei allen Entscheidungen in unserem Verein steht das Wohl des Vereins und seiner Mitglieder auch bei der Einberufung im Vordergrund. Üblicherweise entspricht es selbstverständlich dem Vereinswohl, dass eine einige Monate vorher angekündigte Versammlung auch zu diesem Termin formal ordnungsgemäß durch den Präsidenten einberufen wird. In diesem Jahr ist es für die Nachholung der Mitgliederversammlung 2020 am 18.03.2021 jedoch anders.

Es bestehen berechtigte Interessen der Mitglieder, dass die Versammlung weder in der beabsichtigten Form als rein digitale Veranstaltung, noch zu dem beabsichtigten Termin bereits am 18.03.2021 stattfindet.

Diese Bewertung möchte ich Ihnen gerne erläutern, weil sie ungewöhnlich ist, erst recht, wenn sie gegen den erklärten Willen meiner beiden weiteren Präsidiumsmitglieder erfolgt. Ich muss hier aber meine Verantwortung als Präsident und meine Aufgabe nach unserer Satzung im Sinne der Vereinsinteressen wahrnehmen und kann deren Interessenlagen dabei nicht berücksichtigen.

Ich begründe deshalb meine Entscheidung für alle Mitglieder transparent und wie folgt:

In unserem Verein wurden sämtliche Mitgliederversammlungen der letzten 127 Jahre stets als Präsenzveranstaltungen abgehalten. Diese gewährleisten eine offene, transparente, direkte und ehrliche Kommunikation und geben allen Mitgliedern, die von ihrem Teilnahmerecht Gebrauch machen möchten, die Gelegenheit, sich angemessen persönlich in Diskussionen einzubringen und einen unmittelbaren Eindruck von den handelnden, teilweise zu wählenden Personen, die sie im Verein in Gremien vertreten sollen, zu gewinnen. Reine Digitalveranstaltungen, die lediglich eine Teilnahme online ermöglichen können, sind hierzu nicht in der Lage und müssen deshalb die Ausnahme bleiben.

Natürlich ist uns allen bewusst, dass im März kein anderes Format als eine digitale Mitgliederversammlung zur Verfügung stünde. Dies kann aber im Spätsommer bereits anders sein. Hierauf hoffen wir alle und Prognosen renommierter Virologen geben Anlass dazu, jedenfalls eine Teilpräsenz als realistisch anzusehen, wenn am 05.09.2021 die bereits angekündigte nächste Mitgliederversammlung stattfindet. Auch hierzu laufen schon jetzt Vorbereitungen und eine Ergänzung deren Tagesordnung um die Themen, die für die nachzuholende Mitgliederversammlung 2020 vorgesehen sind, wäre zu diesem Termin in der Sache und auch formal noch problemlos möglich.

Abgesehen davon war bereits der Versuch, die Präsenzveranstaltung 2019 mit dem technischen Mittel der Wahlstimmenabgabe über WLAN abzugeben, ein organisatorisches Desaster, das sich zum PR-Debakel für unseren Verein ausgeweitet hat. Die Technik versagte und die beabsichtigten Wahlen konnten nicht rechtmäßig durchgeführt werden. Ich betrachte die Durchführung eines digitalen Formates deshalb grundsätzlich als Risiko. Kein anderer Verein mit der Mitgliederzahl des VfB Stuttgart hat nach meinem Kenntnisstand bisher nachgewiesen, dass ein derartiges reines Online-Format bei einer aktuell zu erwartenden sehr hohen, wahrscheinlich fünfstelligen Teilnehmerzahl, in der Lage ist, die Abläufe und den inhaltlichen Wert einer Präsenzveranstaltung abzubilden. Wahrscheinlich waren diese Gedankengänge auch Anlass bei anderen Clubs aus dem Profifußball – bei Borussia Mönchengladbach, beim 1. FC Köln oder bei St. Pauli - dazu, auf reine Digitalveranstaltungen zu verzichten, jedenfalls aber die wesentlichen Mitgliederentscheidungen, wie Wahlen, zurückzustellen. Hier wurde nach den Informationen, die ein Austausch meiner Person mit den genannten Clubs ergeben hat, auch ausdrücklich den Mitgliederwünschen dort entsprochen, die digitalen Formate zu verschieben.

Ich habe deshalb gut nachvollziehen können, dass in den letzten Tagen auch aus dem Kreis der Mitglieder unseres Vereins, durch Fan-Clubs, durch Mitglieder des VfB-Fanausschusses und nicht zuletzt auch aus unseren Vereinsgremien darum gebeten wurde, die geplante digitale Mitgliederversammlung zu verschieben, jedenfalls die Verschiebung ernsthaft zu diskutieren.

Die entsprechenden Hinweise waren jedoch nicht lediglich von Zweifeln an der technischen Umsetzbarkeit und dem Wert einer Digitalveranstaltung getragen. Vielmehr standen sie allesamt auch in dem Zusammenhang der Themen, die unseren Verein leider derzeit beschäftigen und auf die ich gleich noch ausführlich eingehen werde.

Ich habe die an mich herangetragenen Anliegen zur Verlegung, jedenfalls zur Diskussion des reine Online-Formates und einer Abhaltung der Mitgliederversammlung erst im September, an die Vereinsgremien herangetragen. Dies bedeutet: Ich habe meine beiden Präsidiumskollegen unter Einbeziehung des Vereinsbeirates mit entsprechenden Fragestellungen befasst und Argumente eingebracht, die ich gerne angemessen diskutiert hätte. Der Umgang mit meinen Anregungen und den weitergeleiteten Argumenten aus dem Mitgliederkreis, aus Fan-Clubs, Fan-Kreisen und dem Vereinsbeirat selbst hat mein Vertrauen darin, dass die vorgenannten und die noch nachfolgenden Aspekte in unserem Verein ausreichend Berücksichtigung finden, stark erschüttert. Auf Einzelheiten werde ich hier nicht eingehen. Ich musste jedoch feststellen, dass es ein sehr weitgehendes Desinteresse gab, überhaupt eine Diskussion der sehr guten Argumente gegen eine digitale Ausrichtung der Mitgliederversammlung aufzunehmen.

In den Vordergrund gestellt wurde von meinen beiden Präsidiumskollegen zusammen und jedenfalls durch den Vorsitzenden des Vereinsbeirates vielmehr, dass ich noch deutlich vor dem spätesten Einberufungsdatum 10.02.2021 umgehend eine quasi unwiderrufliche Festlegung auf die Durchführung der Mitgliederversammlung am 18.03.2021 treffe. Auch weitere Argumente, warum diese Entscheidung jedenfalls später als innerhalb der mir gesetzten Deadline zum „27.01. - 13:30 Uhr“ getroffen werden könnte, wurden dabei unberücksichtigt gelassen. Deshalb ist schon jetzt der Zeitpunkt gekommen, um festzustellen:

Meine Person, als Präsident des VfB Stuttgart 1893 e.V., wird im Interesse des Vereins und seiner Mitglieder die zur Durchführung der digitalen Mitgliederversammlung förmlich notwendige Einberufung zum 18.03.2021 nicht vornehmen.

Die einführend deutlich gemachten Argumente würden in einer „normalen“ Situation unseres Vereins schon genügen, um diese Entscheidung zu rechtfertigen. Wir befinden uns beim VfB Stuttgart aber nicht in dieser normalen Situation. Ich befürchte, wir befinden uns in der größten internen Krise, die dieser Verein in seiner auch in der Vergangenheit lebhaften Geschichte erlebt hat. Die Gründe dafür liegen bereits öffentlich für jeden sichtbar auf der Hand:

Dass in unserem Verein und insbesondere in unserer Tochtergesellschaft, der VfB Stuttgart 1893 AG, viele Angestellte mit der sogenannten „Datenaffäre“ befasst sind, ist allgemein bekannt. Es ist auch bekannt, dass wir einen transparenten Umgang mit dieser Problematik und dem Thema des „Guerilla Marketings“ gegenüber den Mitgliedern vereinbart und zugesagt haben. Dies sind wir den Mitgliedern schuldig. Dazu haben wir zwei Unternehmen der Esecon-Gruppe eingesetzt, die zwischenzeitlich einen Zwischenbericht vorgelegt haben. Leider sind Auszüge hieraus im Wortlaut öffentlich geworden. Es liegt deshalb für die Mitglieder auf der Hand, dass ein Präsidiumsmitglied und Vorstände der VfB AG zu denjenigen Personen gehören, die u.a. direkt mit den zu untersuchenden Vorgängen in Verbindung stehen. Schon aus dem Untersuchungsbericht geht ferner hervor, dass die Überprüfung durch die Esecon-Gruppe sowohl in unserem Verein als auch in unserer Tochtergesellschaft nicht von allen angesprochenen Personen konsequent und schnellstmöglich unterstützt worden sind. Ungeachtet dessen gilt es abzuwarten, was der Abschlussbericht, der Anfang Februar vorliegen soll, an Tatsachen bestätigt, die sich nach dem Zwischenbericht andeuten und die sich möglicherweise darüber hinaus ergeben könnten.

Leider ist es bis heute aber weder im Verein noch in der VfB AG gelungen, einen Auftrag zu der nach Vorliegen des Abschlussberichts notwendigen rechtlichen Bewertung schon jetzt an eine dazu geeignete Rechtsanwaltskanzlei zu erteilen. Es läge nach der Auffassung einiger, die ich teile, sehr nahe, die Rechtsanwälte der Esecon-Gruppe, die mit den Tatsachen bestens vertraut sind, auch die rechtliche Bewertung übernehmen zu lassen. Dies dürfte kostengünstiger und insbesondere schneller zu einer objektivierten rechtlichen Bewertung führen. Mangels Einigkeit dahingehend ist jedoch zu befürchten, dass auch bei Vorlage des Abschlussberichtes frühestens wenige Zeit vor dem 18.03.2021 eine rechtliche Bewertung vorliegen wird. Bis dahin wären wir also möglicherweise mit der Diskussion von Tatsachen beschäftigt, ohne ein einheitliches Bild zur rechtlichen Bewertung der Tatsachen gewinnen zu können. Eine transparente Darstellung sämtlicher Aspekte der Esecon-Berichterstattung in der Sache und der rechtlichen Einordnung dazu am 18.03.2021 steht daher stark in Frage.

Abgesehen davon halte ich es auch im Interesse des betroffenen Präsidiumsmitglieds unseres Vereins für nicht zielführend, dass dieses sich auf einer Mitgliederversammlung Fragen der Mitglieder zu Sachverhalten zu stellen hätte, die den Mitgliedern erst kurz vor oder sogar erst in der Mitgliederversammlung präsentiert werden könnten.

Nicht nur die Inhalte der Esecon-Berichte werden jedoch aufzuarbeiten sein, sondern möglicherweise zumindest in gleichem Maße der Umgang in Vereinsgremien, den Gremien der VfB AG und den betroffenen Abteilungen hiermit. Wenn schon jetzt medial die Runde macht, dass die Datenaffäre normalerweise an einem Nachmittag aufzuklären wäre, diese uns nun aber seit Monaten beschäftigt und Geld kostet, ist hier erst recht vor einem transparenten Umgang zum Schutz möglicherweise Betroffener „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Auch dies kostet Zeit, die wir uns aber – da bin ich ganz beim Vorstandsvorsitzenden der VfB AG – auch aus einem Schutzinteresse keine falschen Anschuldigungen zu erheben, zu nehmen haben.

Daneben ist auch zu erwarten, dass unser Mitgesellschafter, die Daimler AG, sich intern zunächst einmal mit der Berichterstattung zum Umgang mit Daten in seiner Tochtergesellschaft befassen wollen wird, um dort festgestellte mögliche Abweichungen im Daimler-Konzern gesetzten Verhaltensrichtlinien intern abzugleichen. Um dies insbesondere den Vertretern, die unser Mitgesellschafter in die VfB AG entsandt hat, zu ermöglichen, muss ebenfalls ausreichend Zeit bestehen.

Nicht zu vergessen ist, dass der Landesdatenschutzbeauftragte (!) sich sowohl mit dem VfB e.V. als auch insbesondere mit den Vorgängen in der VfB AG befasst. Das Verfahren der staatlichen Behörden läuft. Es ist derzeit nicht gesichert, wann das behördliche Verfahren zum Abschluss kommt, lediglich in Aussicht gestellt, dass der Abschluss in absehbarer Zeit erwartet werden darf. Auch dies stellt einen Unsicherheitsfaktor der rechtlichen und personellen Folgen für die Verantwortlichen und der wirtschaftlichen Folgen für den VfB dar, für den wir uns Zeit nehmen müssen, um verantwortlich zu handeln.

Liebe Mitglieder, nach den Abläufen der letzten Wochen, dem Druck, den viele – ausdrücklich nicht alle – Mitglieder unserer Gremien auf mich als Präsidenten zur Einberufung ausgeübt haben, erwarte ich gremienintern massive Kritik an meiner Person und meiner Entscheidung. Man wird mir, was nicht nur durch die Blume bereits geschehen ist, hohe Schadensersatzforderungen androhen und vorwerfen, ich handele unbedacht. Diese und weitere erwartbare Argumente habe ich bewusst abgewogen. Im Ergebnis steht für mich fest: Gerade die aus meiner Sicht vorgeschobenen formalen und wirtschaftlichen Argumente einiger Gremienmitglieder, insbesondere deren Versuch, mich zu einer zeitlich weit vor Ablauf der Einberufungsfrist am 10.02.2021 für die Einberufung liegenden Entscheidung zu bewegen, die fehlende Bereitschaft zur Diskussion nennenswerter Argumente, die von anderen Seiten (Mitglieder, Gremienmitglieder, Fans, Medien) in den Raum gestellt wurden und nicht zuletzt der Umgang mit meinem Versuch, transparente Ermittlungen der Esecon-Gruppe zu gewährleisten, bekräftigen mich allerdings in der hier ausführlich beschriebenen Annahme, dass zum Wohl unseres Vereins und bei der Wahrnehmung berechtigter Vereinsinteressen nur eine Entscheidung durch mich erfolgen darf: Die Ablehnung der Einberufung zum 18.03.2021 und der Aufruf an alle, von einem rein digitalen Format der nächsten Mitgliederversammlung abzusehen und diese, soweit wie möglich, als Präsenzveranstaltung unter Beteiligung möglichst vieler Mitglieder durchzuführen. Die wirtschaftlichen Folgen einer unsorgfältigen, intransparenten Aufklärungsarbeit und einer übereilten Bewertung dürften unserem Verein und der VfB AG weit teurer zu stehen kommen, als die Absage eines Druckauftrages für das Mitgliedermagazin. Abgesehen davon erspart die Durchführung nur einer Mitgliederversammlung im Jahr per se erhebliche Kosten.

Einem Präsidenten unseres Vereins ist die Entscheidung zur Einberufung satzungsmäßig nur genommen, falls er „verhindert“ wäre. Ich darf Ihnen allen aber versichern: Ich bin nicht verhindert, sondern fest entschlossen, zunächst das Beste für unseren Verein zu erreichen. Sollten also interessierte Kreise versuchen, diesen Weg und diese dem Präsidenten durch die Satzung zugewiesene Entscheidung zu behindern oder gar zu ignorieren, ist die Wachsamkeit aller Mitglieder gefragt, von welcher Motivation dieses Verhalten getragen sein könnte.

Stuttgart, den 27. Januar 2021

Ihr

Claus Vogt
Präsident des VfB Stuttgart 1893 e.V.