Der SV Werder Bremen gleicht in dieser Saison ein wenig einem Schmetterling. War der Traditionsclub aus dem Norden in der Hinserie noch eine Raupe, etwas träge, nicht immer schön anzuschauen, ohne dauerhaften Elan, so vollzog sich an der Weser vor allem in der Winterpause eine fußballerische Metamorphose.
Der Veränderungsprozess, sprich die Verpuppung und die Verwandlung im Kokon, wurde freilich schon vor dem Ende der ersten Halbserie 2014/2015 eingeleitet, zur Entfaltung kam das neue Werder-Antlitz aber vor allem in der Anfangsphase der Rückrunde. Schön, teilweise elegant, mit Leichtigkeit, so flog der Bremer Schmetterling an den Spieltagen 18 bis 21 durch die Republik – und vergaß dabei auch nicht um seine Nahrung, nämlich Punkte, zu kämpfen. Vier Siege zum Auftakt in das neue Jahr waren zwölf Punkte gegen den Abstieg. Den Erfolg gegen Dortmund im letzten Spiel 2014 eingerechnet, legte die Mannschaft von Viktor Skripnik eine Serie von fünf Siegen hin – und geriet damit vom Abstiegskandidaten zum Anwärter auf die internationalen Plätze.
In diesen Wochen der Befreiung von den Abstiegssorgen verblüfften die Bremer Fußball-Deutschland. Schließlich galt Werder als Hinrunden-16. für viele noch als stark abstiegsgefährdet und startete nach dem Jahreswechsel plötzlich leistungs- und auch ergebnistechnisch durch. Trotz eines kleinen Durchhängers vor der Länderspielpause mit lediglich einem Sieg aus fünf Bundesligapartien sowie dem DFB-Pokal-Aus beim Drittligisten Arminia Bielefeld gingen die Norddeutschen als bislang Rückrunden-Sechster in das Heimspiel gegen Mainz. Dort kamen die Bremer nicht über ein torloses Unentschieden hinaus und haben nun vier Punkte Rückstand auf den Europa League-Qualifikationsplatz sechs.
Felix Kroos (l.) und Theodor Gebre Selassie
Mittelfeldraute sorgt für Sicherheit
Werder hat es innerhalb einer Spielzeit geschafft, den Kutter aus dem Abstiegssumpf zu manövrieren und zumindest teilweise an die glanzvolle Vergangenheit zu erinnern, auf die der Zweite der aktuellen ewigen Bundesligatabelle zurückblicken kann. Mit Viktor Skripnik und dessen Assistenten Torsten Frings sowie dem Aufsichtsratschef Marco Bode, der Ende 2014 Willi Lemke ablöste, sind in dieser Saison gleich drei Hauptprotagonisten der erfolgreichen Werder-Ära in wichtige Ämter gehoben worden. Freilich kann dies kein Allheilmittel sein, doch an der Weser scheinen diese Personalien bis jetzt für einen positiven Effekt zu sorgen.
Die drei ehemaligen Profifußballer waren im grün-weißen Trikot aktiv, verkörpern sehr gut die erfolgreiche Zeit des SV Werder und haben maßgeblich einen Aufschwung eingeleitet, der jeden Spieler mitgenommen hat. Das Trainergespann – von der U23 hochgezogen – bringt indes das Wappen des Nordclubs auch auf den Platz. In der Mittelfeldraute lassen Viktor Skripnik und Torsten Frings ihre Spieler agieren, eine spezielle Interpretation des 4-4-2-Systems, die dem Werder-Spiel zunehmend Sicherheit verliehen hat.
Hinzu kam eine positive Entwicklung der Profis. Einige blühten auf, wie Franco di Santo, Davie Selke oder Fin Bartels. Clemens Fritz kämpfte sich sinnbildlich für die gesamte Mannschaft aus seinem Leistungstief heraus, Zlatko Junuzovic gab dem Aufwärtstrend mit seinem Treuebekenntnis mittels der Vertragsverlängerung zusätzlichen Schub. Zudem sorgten Winterneuzugänge wie Jannik Vestergaard oder Levin Öztunali für neue Impulse.
Insgesamt ist ein neues Wir-Gefühl an der Weser entstanden, das meist mit einem positiven Kribbeln verbunden ist. Schmetterlinge im Bauch, wenn man so will. Doch jedes Frühlingsgefühl verfliegt irgendwann – und im Optimalfall sorgen die Jungs aus Cannstatt heute mit ihrem Einsatz und Willen für ein wenig norddeutschen Kummer.