Borussia Dortmund ist in dieser Spielzeit ein Rätsel. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für Fußball-Deutschland. Der Meisterclub von 2011 und 2012 beschloss die Hinrunde auf einem direkten Abstiegsplatz und kämpft bislang noch um den Klassenverbleib. Dem beeindruckenden Vollgas-Fußball, mit dem die Mannschaft von Jürgen Klopp in den vergangenen Jahren die Zuschauer in den Arenen und vor den Fernsehern begeisterte, fehlt in dieser Saison bisher die Durchschlagskraft. Das lassen zumindest die Resultate (sechs Siege/vier Unentschieden/elf Niederlagen) sowie der Tabellenplatz (15) schlussfolgern. Doch es wäre gefährlich, daraus abzuleiten, dass die Borussia 2014/2015 schwach oder gar leicht zu schlagen wäre. Denn der Schein trügt.
„Überall Überfall“, schrieb der „Spiegel“ jüngst über den Dortmunder Fußball, und diese schöne Formulierung ist trotz der derzeitigen Situation auch in der aktuellen Spielzeit passend. Da kann das Wort „Krise“ in Verbindung mit dem BVB in noch so vielen Medienberichten zu sehen, lesen und hören sein. Zumindest sprechen nicht nur die Leistungen im DFB-Pokal (im Achtelfinale wartet Dynamo Dresden) und der Champions League (Sieger der Gruppe D vor Arsenal London, RSC Anderlecht und Galatasaray Istanbul; nun im Achtelfinale gegen Juventus Turin), sondern auch die statistischen Werte bei den Borussen-Partien eine andere Sprache. Beim genaueren Hinsehen ist diese Saison schließlich „nur“ eine Tabellenplatz- beziehungsweise Ergebniskrise, mitnichten aber eine des Dortmunder Fußballs.
5 Scorerpunkte in 2 Partien: P.-E. Aubameyang
Fast doppelt so viele Torschüsse wie die Gegner
Ein Kernbeleg hierfür ist sicherlich die Anzahl der Torschüsse. In den bisherigen 21 Bundesligaspielen war die Mannschaft von Jürgen Klopp bei diesem Wert lediglich einmal schlechter als der Gegner, beim 1:2 in München gegen die Bayern (10:25 Torschüsse). Insgesamt schossen die schwarz-gelben Kicker fast doppelt so oft auf das gegnerische Tor wie ihre Kontrahenten (357:187). Weitere aussagekräftige Zahlen liefern die Pass- sowie die Zweikampfquote und der Ballbesitzanteil, auch wenn Letzterer natürlich von der jeweiligen Taktik abhängt.
Dennoch dienen hier diese vier Statistiken als Beweis für das weiterhin sehr gute Dortmunder Fußballspiel. In zehn Partien waren die Borussia-Profis in allen Werten besser als der Gegner, in weiteren fünf Aufeinandertreffen waren sie in drei Werten stärker. 21 Saisonspiele ergeben insgesamt 84 statistische Werte, von denen der BVB 66 Mal den Vergleich gewann und neben drei Remis 15 verlor.
Diese Analyse macht die tabellarische Situation zwar nicht besser, aber es ist schon ein Unterscheid, ob die Gegner fußballerisch, kämpferisch, läuferisch in der Regel überlegen sind oder ob viele Niederlagen durch überragende Torhüterleistungen beim Gegenüber, zahlreiche eigene vergebene Torchancen und auch aufgrund vieler Verletzungen oder Blessuren zustande kamen. Shinji Kagawa, Neven Subotic, Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Sven Bender, Ilkay Gündogan, Nuri Sahin, Jakub Blaszczykowski oder Henrikh Mkhitaryan fehlten teilweise länger und müssen nach ihrer Rückkehr zunächst die Form früherer Tage suchen und wiedererlangen.
Gestärkt durch die jüngsten Erfolge
Außerdem spielt für das bisherige Abschneiden bestimmt auch die große Anzahl an WM-Teilnehmern eine gewisse Rolle, die Gegner stellen sich darüber hinaus zunehmend auf den BVB-Fußball ein sowie das eigene Tor vor allem zu – und ein Abwehrbollwerk zu durchbrechen, ist nun einmal nicht so leicht. Darüber hinaus müssen die Profis in der unteren Tabellenregion nicht nur gegen den Abstieg, sondern ebenso mit den eigenen Nerven kämpfen. Auch Weltmeister und Top-Fußballer sind davor nicht gefeit, schließlich ist das schlichtweg menschlich.
Die jüngsten beiden Spiele in Freiburg (3:0) und gegen Mainz (4:2) dürften das Selbstvertrauen der Dortmunder wieder gestärkt und die schwarz-gelben Mienen aufgehellt haben, genauso wie die Vertragsverlängerung von Marco Reus, die Hans-Joachim Watzke im zehnten Jahr seiner Geschäftsführertätigkeit zusammen mit dem Sportdirektor Michael Zorc vor kurzem perfekt machte. Das Gute aus VfB Sicht ist aber: im Hinspiel haben die Jungs aus Cannstatt gezeigt, dass sie trotz der statistischen Unterlegenheit dem BVB Paroli bieten können. Beim 2:2 haben die Borussen erst kurz vor dem Abpfiff ausgeglichen – und auch heute will die Mannschaft von Huub Stevens natürlich nicht zum Lösen des Dortmunder Rätsels beitragen. Denn Fakt ist weiterhin: trotz guter Statistiken kämpft Borussia Dortmund in dieser Saison gegen den Abstieg.