Ein Wort fiel besonders häufig in den Interviews mit den VfB Spielern nach dem Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen: Moral. Ein Begriff, für den der Duden in diesem Zusammenhang folgende Bedeutungserklärungen vorsieht: Bereitschaft, sich einzusetzen; Kampfgeist; Disziplin; gefestigte innere Haltung; Selbstvertrauen. Diese Begriffe setzten die Jungs aus Cannstatt in der zweiten Hälfte allesamt in die Tat um. Die Mannschaft des Trainers Armin Veh kämpfte in den Duellen mit den gegnerischen Spielern, spielte selbstbewusst in der Offensive und holte nach dem 0:3-Halbzeitstand Tor um Tor auf, glich aus und hätte in der Schlussphase beinahe noch den Siegtreffer erzielt. Bei ihren Bemühungen, den Rückstand in den zweiten 45 Minuten wettzumachen, konnten sich die VfB Spieler auch der Unterstützung ihrer Fans bewusst sein.
"Nach einer solchen ersten Hälfte müssen wir mit diesem einen Punkt zufrieden sein", sagte Florian Klein nach der Partie. Der Österreicher war mit der Torvorlage zum 1:3 und seinem ersten Bundesligatreffer zum 2:3 maßgeblich an der Aufholjagd beteiligt. Sein Teamkollege Daniel Schwaab sprach gar von "einem gefühlten Sieg". In der Tat hatten wohl nur noch wenige der 40.900 Zuschauer in der Mercedes-Benz Arena an ein derartiges Comeback der Jungs aus Cannstatt in der zweiten Hälfte geglaubt.
Gedrückte Stimmung bei den VfB Spielern kurz vor der Halbzeitpause nach dem dritten Leverkusener Treffer.
Entscheidend war, dass dies die VfB Spieler taten. "Man muss immer an sich selbst glauben und versuchen, das Spiel zu drehen, auch wenn es diesmal eine schwierige Aufgabe war", sagte Adam Hlousek, der nach dem Seitenwechsel ins Spiel kam und somit sein Bundesligadebüt für den VfB feierte. Der Tscheche rettete in der Schlussphase nach einem Torabschluss der Leverkusener für sein Team auf der Linie und zeigte ebenso eine gute Leistung wie die beiden anderen Einwechselspieler Alexandru Maxim sowie Filip Kostic, die Schwung ins Offensivspiel brachten.
Doch bei aller Freude über den gewonnen Punkt, blieben den VfB Spielern auch die ersten 45 Minuten nachhaltig im Gedächtnis. Sie waren der Stimmungskiller vor der Aufholjagd. "Zur Pause hätten wir wohl auch mit 0:5 oder sogar 0:6 zurückliegen können", sagte Florian Klein. Beinahe machtlos sah sich das Team von Armin Veh dem aggressiven Forechecking der Leverkusener ausgeliefert. "Wir hatten zu viel Respekt vor dem Pressing und sind gar nicht in die Zweikämpfe gekommen. Wenn wir in Ballbesitz waren, haben wir zudem zu wenig nach Lösungen gesucht und den Ball einfach nach vorne geschossen, sodass wir ihn auch nicht länger in den eigenen Reihen halten konnten", erklärte Florian Klein und fügte hinzu: "Wir müssen das Spiel nochmal genau analysieren, weil die erste Hälfte wirklich nicht gut war."
Er und seine Teamkollegen hätten den ersten Spielabschnitt schließlich komplett verschlafen, und der Mannschaftskapitän Christian Gentner sprach davon, die erste Hälfte "versaut zu haben". Doch dann kam die Moral der Jungs aus Cannstatt und mit ihr die Rückkehr in die Partie, sodass sich letztlich doch noch "Mut aus diesem Spiel" schöpfen lässt, wie der Torschütze Martin Harnik nach der Partie zu Protokoll gab.
Die Niedergeschlagenheit aus dem ersten Spielabschnitt wandelte sich in der zweiten Hälfte in Jubel, so wie hier nach dem Ausgleichstreffer durch Martin Harnik.