Unglaublich, verrückt, wahnsinnig, spektakulär, packend, irre, zwischen Himmel und Hölle – die Beurteilungen des Aufeinandertreffens zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfB am neunten Spieltag der Fußballbundesliga an diesem Samstag überschlugen sich. Nun neigt die Sportsprache in der Regel ohnehin gerne zur Zuspitzung, bisweilen zur Übertreibung. Superlative sind gewissermaßen beinahe Pflicht. Doch dieser 5:4-Sieg der Jungs aus Cannstatt gegen die Hessen verdiente jegliches dieser Prädikate.
Schließlich boten die Akteure beider Mannschaften in der Frankfurter Arena dermaßen viel Unterhaltung, dass zumindest die Fans mit einer weiß-roten Brille unter dem Strich kaum Schöneres erleben konnten, sportlich versteht sich. In dieser Partie war für sie nicht mehr drin, außer vielleicht ein bisschen mehr Ruhe, die sich in weniger Stressfalten und geringerem Herzklopfen ausgedrückt hätte.
Freudige Rückkehr: Armin Veh gewinnt in Frankfurt
Eintrag in die Geschichtsbücher
Folglich ist der Puls bei einigen Protagonisten und Zuschauern wohl noch am Folgetag etwas erhöht. Immerhin haben selbst die Trainerroutiniers Thomas Schaaf, der beim Torfestival bereits sein 750. Bundesligaspiel bestritt (262 als Spieler, 488 als Trainer) , und Armin Veh (276 Partien als Trainer im deutschen Fußballoberhaus) solch eine Begegnung selten erlebt, und sprachen beide von "Wahnsinn".
So sicher wie die drei Punkte für den VfB sind, so gewiss ist diesen 95 Minuten daher der Eintrag in die Geschichtsbücher des Fußballs, vergleichbar mit dem 4:4 des VfB bei Borussia Dortmund vom März 2012. Damals setzte übrigens auch Christian Gentner den Schlusspunkt einer nervenaufreibenden Partie. Diesmal führte sein zweiter Treffer aber zum Sieg – und damit zum verdienten Lohn für den großen Aufwand, den der VfB Kapitän und seine Mannschaftskollegen betrieben.
Wille, Leidenschaft und Herzblut
Wieder einmal wurde deutlich, wie viel Wille, Leidenschaft und Herzblut in dieser Mannschaft stecken. Eine Woche zuvor bewiesen die Jungs aus Cannstatt durch die begeisternde Aufholjagd gegen Bayer 04 Leverkusen bereits, dass sie sich von Rückschlägen erholen können. Nun, in Frankfurt, kamen sie gleich zwei Mal (nach 0:1 und 3:4) zurück. Sie glaubten an diesen Sieg, sie wollten ihn – unbedingt – und sie holten ihn sich. Dieser Wille äußerte sich beispielsweise in der Gesamtlaufleistung, in welcher der VfB mit 120,97 Kilometer die Eintracht (115,22 Kilometer) überflügelte.
Starkes Stück: fünf Mal Jubel in der Fremde
Diese Comebackqualität zeugt von einem guten Teamgeist, sollte aber auch nicht überstrapaziert werden, weshalb die Fehler, die zum 0:3-Pausenstand gegen Leverkusen und zu drei Gegentoren in acht Minuten bei der Eintracht führten, schleunigst abzustellen sind. Doch dafür ist Zeit, wenn sich die Mannschaft von Armin Veh nach zwei freien Tagen von Dienstag an auf die nächste Heimpartie gegen den VfL Wolfsburg (Samstag, 15:30 Uhr) vorbereitet.
Positive Entwicklung
Jetzt sollte erst einmal Platz für Freude über den ersten Auswärtssieg der Saison sein, über eine beeindruckende Moral, über fünf Tore auf fremdem Platz und über ein emotionales Comeback des VfB Cheftrainers bei seinem ehemaligen Verein, das er dank des Erfolgs umso mehr genießen konnte. Denn dieser Sieg war kein Zufallsprodukt, sondern der Ertrag einer positiven Entwicklung beim Club mit dem roten Brustring.
"Solche Spiele machen Mut für die Zukunft, wenn sie gut ausgehen", sagte Martin Harnik nach seinem 150. Bundesligaspiel, und Christian Gentner, der andere VfB Doppeltorschütze, ergänzte: "Man sieht von Woche zu Woche deutlich, dass wir Fortschritte machen." Das bestätigt auch die Fieberkurve der tabellarischen Entwicklung der Jungs aus Cannstatt. Sie arbeiten sich langsam, aber beständig Stück für Stück nach oben, haben dank des Erfolgs in Frankfurt Borussia Dortmund überholt und rangieren nun auf Platz 14 – die beste Tabellenposition seit dem ersten Spieltag. Klar ist auch, dass dies nicht der Anspruch des VfB ist, doch mit packenden, spektakulären und vor allem erfolgreichen Wahnsinnsspielen wie dem in Frankfurt fällt es leichter, darüber hinwegzusehen.