Es hätte wohl auch gar nicht anders kommen können. In der Saison 13/14, in der die Medienvertreter mit 80-Minuten-Bundesligatabellen die vielen Gegentore des VfB in der Schlussphase illustriert haben, musste Ähnliches ja auch im letzten Heimspiel geschehen. Der kleine, aber wichtige Unterschied dieses symptomatischen Ereignisses für die zu Ende gehende Spielzeit: das 2:1 durch Ivica Olic für den VfL Wolfsburg in der Nachspielzeit am vorletzten Spieltag hatte keine Auswirkung mehr auf den Abstiegskampf.
Zeitgleich unterlagen nämlich der Hamburger SV daheim gegen den FC Bayern München (1:4) und der 1. FC Nürnberg ebenfalls vor dem heimischen Publikum gegen Hannover 96 (0:2). Somit können diese beiden Klubs am letzten Spieltag nicht mehr am VfB vorbeiziehen und machen zusammen mit Eintracht Braunschweig den Kampf um den Relegationsplatz im Fernduell untereinander aus, wobei alle auswärts ran müssen. Die Jungs aus Cannstatt haben den Klassenverbleib also vorzeitig geschafft. Die Gefühlslage kurz nach dem Schlusspfiff war zwar schwierig einzuordnen und zu beschreiben, die Erleichterung rund um den Klub mit dem roten Brustring ist unter dem Strich aber natürlich groß.
Ähnlich groß war aber die Verärgerung über die Niederlage gegen den Champions League-Anwärter aus Wolfsburg. Besonders Huub Stevens sprach zunächst nicht von Erleichterung, sondern von "Enttäuschung" über das späte Gegentor. Ähnlich erging es Sven Ulreich, der kurz nach dem Abpfiff sagte, dass er "erst einmal verärgert" war, die "Erleichterung über das Hauptziel Klassenverbleib" erst später aufkam. "Dieses Tor war so typisch für diese Saison", sagte der Keeper, "trotzdem spürt man schon ein wenig den großen Druckabfall. Wir sind im Kopf alle sehr müde, haben viel investiert."
Abschiedsworte von Cacau, Arthur Boka und Ibrahima Traoré
Viel Einsatz hat auch Cacau wieder gegen Wolfsburg gezeigt, bei seinem letzten Auftritt in der Mercedes-Benz Arena. Die VfB Kultfigur wird in der kommenden Saison nicht mehr das Trikot mit dem roten Brustring tragen. Dementsprechend emotional war der Abschied des Routiniers. Lange hallten die Applausgeräusche bei seiner Auswechslung durch die Mercedes-Benz Arena, die Zuschauer hatten sich von ihren Sitzen erhoben und dem 33-Jährigen damit ihre Wertschätzung erwiesen. Die Mitspieler klatschten ebenfalls Beifall – und nach der Partie sprach der Stürmer zu den Fans, bedankte sich für die "tolle Unterstützung". "Für Cacau war es ein bewegender Abschied. Aber das ist auch klar, denn er bedeutet dem Verein und den Leuten hier eine Menge", sollte Fredi Bobic später sagen.
Nachdem auch Arthur Boka, der mit dem VfB Deutscher Meister wurde und neben dem Fußball durch seine höfliche sowie humorvolle Art auf sich aufmerksam machte und nun nach acht Jahren in Richtung Malaga weiterzieht ("Ich hatte hier die schönste Zeit meiner Karriere"), und Ibrahima Traoré, der Flügelflitzer, der besonders in den vergangenen Wochen einen großen Teil zum Nichtabstieg beigetragen hatte und jetzt zu Borussia Mönchengladbach wechselt, ihren Dank an die Anhänger gerichtet und sich ihren verdienten Applaus abgeholt hatten, verabschiedeten sich alle Spieler bei einer Stadionrunde von den Fans. "DANKE FÜRS ZUSAMMENHALTEN" stand auf den T-Shirts, welche die Akteure trugen und auch in die Menge warfen. Der VfB weiß um die Bedeutung der großen Mithilfe der Fans gerade in den vergangenen Wochen im Abstiegskampf. Insofern soll auch hier noch einmal deutlich ein Dank für die Unterstützung, für das Anfeuern, für das Nachvornepeitschen, für das Aufbauen, FÜRS ZUSAMMENHALTEN ausgesprochen beziehungsweise ausgeschrieben werden. Vielen Dank!
Tchau, salut und ade
Nach insgesamt 22 Jahren, bisher 649 Pflichtspielen sowie 124 Toren verabschieden sich Cacau, Arthur Boka und Ibrahima Traoré vom Heimpublikum.
Lief zum Abschied mit seinen Kindern ein: Cacau
Zeit für die Fehleranalyse
Nun steht in dieser Saison noch eine Partie auf dem Programm, am kommenden Samstag beim Deutschen Meister. Auf diese Begegnung werden sich die VfB Profis nach zwei freien Tage von Dienstag an vorbereiten, schließlich wollen sie sich ordentlich aus der Spielzeit verabschieden. Zudem wabert noch das bittere, ebenfalls sehr späte 1:2 gegen den FC Bayern München vom Januar in den Köpfen herum, das sicherlich seinen Anteil am weiteren Verlauf der Rückrunde hatte.
Beim Deutschen Rekordmeister würde Cacau gerne auch noch einmal antreten, schließlich sind die Münchner sein häufigster Gegner in der Bundesliga gewesen. So emotional wie in der Mercedes-Benz Arena wird der endgültige Abschied aus dem deutschen Fußballoberhaus aber sicherlich nicht ausfallen. "Gegen Wolfsburg war es schön, von Beginn an zu spielen und mit meinen Kindern einzulaufen. Um vor der Partie meine Gefühle unter Kontrolle zu halten, habe ich mich bewusst an die schönen Momente erinnert", sagte der ehemalige deutsche Nationalspieler sowie WM-Torschütze und ergänzte: "Diese Saison war eine der schwierigsten, denn von Anfang an war nie klar, ob wir in der Liga verbleiben. Erst einmal werde ich nun abschalten und dann mit meiner Familie schauen, wo und wie es weitergeht. Natürlich macht man sich Gedanken, und es gibt auch einige Möglichkeiten, aber noch nichts Konkretes. Jetzt höre ich mir erst einmal alles an. Es muss sportlich und auch für meine Familie passen." Schon bei seinen Worten in der Mercedes-Benz Arena deutete der Familienvater an, irgendwann einmal wieder zum VfB zurückkehren zu wollen, hernach sagte er dazu noch: "Nach der Karriere sehe ich mich nicht als Trainer, sondern eher etwas im Hintergrund. Klar ist jetzt aber erst einmal, dass ich noch mindesten zwei Jahre spielen werde."
Und klar ist nun auch, dass der VfB in der kommenden Saison weiterhin im deutschen Fußballoberhaus aktiv sein wird. Nachdem der Kampf gegen Abstieg endgültig beendet ist, kann der Blick noch intensiver nach vorne gerichtet werden. Die Planungssicherheit kehrt zurück, und die kommenden Wochen werden im Fokus der Aufarbeitung, der Gespräche, der Fehleranalyse stehen. "Es ist wichtig, aus dieser Saison zu lernen, und wir wissen, dass wir im Hinblick auf die nächste Runde einiges zu tun haben", sagte der Sportvorstand Fredi Bobic, und der VfB Präsident Bernd Wahler ergänzte: "Wir werden uns jetzt zusammensetzen, Schlüsse ziehen und dann sehen, was wir aus dieser Saison gelernt haben, damit wir in der Zukunft nicht die gleichen Fehler machen." Schließlich soll es in der nächsten Saison auf jeden Fall anders kommen als in dieser Spielzeit.