Günther Koch ist seit 2011 Mitglied des Aufsichtsrates beim 1. FC Nürnberg und seit 2012 zweiter Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden beim Club. Zuvor hat der 72-Jährige 39 Jahre lang als Pädagoge, davon 20 als Teilzeitlehrer, gearbeitet. Zudem war er von 1977 bis 2011 als Buch- und Hörspielautor, Zeitungskolumnist, TV-Kommentator und vor allem als Radioreporter aktiv. Mehr als 1.000 Fußballspiele kommentierte er im Hörfunk, fast die Hälfte davon waren Partien des 1. FC Nürnberg. Er erlebte in der Saison 98/99 einen der wohl spannendsten Abstiegskämpfe der Bundesligageschichte live mit.
Fünf Teams kämpften vor dem letzten Spieltag noch um den Klassenverbleib – darunter auch der VfB und der 1. FC Nürnberg. Die Mannschaft mit dem roten Brustring entledigte sich damals mit einem Sieg gegen den SV Werder Bremen aller Sorgen – der heutige Sportvorstand Fredi Bobic erzielte bereits in der sechsten Minute den Siegtreffer. Die Nürnberger, mit der besten Ausgangslage in den 34. Spieltag gestartet, stiegen derweil doch noch ab. Am Mittwoch treffen der 1. FC Nürnberg und der VfB im Grundig-Stadion von 20 Uhr an aufeinander – wieder geht es um viel. Günther Koch spricht vor dem Spiel über die aktuelle Situation der Franken, den Abstiegskampf und seine Reporterleidenschaft.
In einer Kolumne auf Ihrer Website schreiben Sie von einem durchschlagenden Effekt, wenn der 1. FC Nürnberg aus den Spielen gegen Eintracht Frankfurt, den VfB und den SC Freiburg sieben Punkte holen würde. Dies ist nach dem 2:5 am Sonntag gegen die Hessen nicht mehr möglich. Wie sehr schmerzt diese Niederlage?
Günther Koch: "Es ist wohl die schmerzlichste von den bisherigen in dieser Saison. Vor allem die Art und Weise, wie die Niederlage zustande gekommen ist, irritiert mich."
Sie kämpfen sich nach einem 0:3-Rückstand auf 2:3 heran und verlieren doch noch deutlich…
Günther Koch: "…genau das ist der Knackpunkt. Wir haben das psychologische Moment auf unserer Seite. Ich hatte meinen Kollegen auf der Tribüne schon das 3:3 vorhergesagt, und dann schafft es der Gegner mit einem klugen Wechsel, durch den Vaclav Kadlec ins Spiel kommt, uns ganz einfach auszuhebeln."
Ausgerechnet gegen die direkten Konkurrenten aus Bremen, Hamburg und Frankfurt hat der 1. FC Nürnberg zuletzt verloren. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Günther Koch: "Wenn ich ehrlich bin – nein. Zwar haben wir in der Rückrunde bei Siegen das Glück gehabt, das uns in der Hinrunde noch fehlte. Wie unsere Mannschaft kleinere Rückschläge zuletzt nicht verkraftet hat, das gibt mir aber zu denken."
War jahrzehntelang Reporter: Günther Koch
Am Mittwoch steigt mit dem Spiel gegen den VfB ein weiteres Duell gegen einen direkten Konkurrenten.
Günther Koch: "Im Hinspiel beim 1:1 in Stuttgart haben wir recht gut gespielt. Ich hoffe zunächst einmal, dass wir nicht verlieren. Eigentlich ist das in unserer Situation zu wenig, aber nach den vergangenen Partien sind die Ansprüche zurückgegangen. Die Stimmung ist gedrückt. Hinzu kommt, dass der VfB im Aufwind ist. Gegen Hamburg haben sie ein dünnes Spiel gezeigt, aber einen dicken fetten Sieg eingefahren. Das sorgt für eine breite Brust, die unsere Spieler aktuell nicht haben. Uns bleibt derzeit nichts anderes übrig, als die Ruhe zu bewahren, dem Team Stärke zu vermitteln und ihnen den Glauben an sich selbst zurückzugeben, was natürlich nicht einfach ist. Mit Ondrej Petrak kommt nun ein weiterer Verletzter hinzu. Er hat als Winterneuzugang in den wenigen Spielen in der Abwehr erstaunlich gute Leistungen gezeigt. Zudem ist Javier Pinola gesperrt. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, wen der Trainer noch aufstellen soll. Das ist schon erschreckend."
Wenn Sie an den VfB denken, welches Spiel, das Sie als Reporter begleitet haben, fällt Ihnen spontan ein?
Günther Koch: "Da fällt mir die Partie des VfB gegen den FC Bayern München in der Saison 95/96 ein, als die Stuttgarter nach einem 0:3-Rückstand durch Axel Kruse und Giovane Elber kurz vor Schluss noch den Ausgleich erzielten, um dann doch noch 3:5 zu verlieren. Mir fällt aber auch das Pokalfinale in der Spielzeit 06/07 ein, als der 1. FC Nürnberg gegen den VfB aus mehreren Gründen Glück hatte und den DFB-Pokal gewann."
Zwischen Platz elf und 17 liegen aktuell nur sechs Punkte. Erwartet uns ein ähnlich spannender Abstiegskampf wie in der Saison 98/99, als vor dem letzten Spieltag noch fünf Teams vom Abstieg bedroht waren?
Günther Koch: "Ein solches Szenario sehe ich auf uns zukommen."
War das für Sie der spannendste Abstiegskampf, den Sie als Reporter miterlebt haben?
Günther Koch: "Ja, was den Kampf um den Klassenverbleib angeht schon. Ich bin damals aber objektiv geblieben, und darauf bin ich stolz. Was Abstiege angeht, bin ich wohl der erfahrenste Reporter Deutschlands (lacht). Da habe ich mit mehreren Vereinen schon einige erlebt. Die Reportagen über die beiden Champions League-Finalspiele mit Beteiligung des FC Bayern München in der Saison 98/99 gegen Manchester United oder zwei Jahre später gegen den FC Valencia waren aber genauso spannend."
504 Mal haben Sie Spiele des 1. FC Nürnberg als Reporter begleitet. Kommentieren Sie heute auch noch als Aufsichtsratsmitglied auf der Tribüne die Spiele?
Günther Koch: "Ich habe zum Glück geduldige Kollegen neben mir auf der Tribüne sitzen. Natürlich platzt es immer wieder mal aus mir heraus. Ich mache also immer noch ein bisschen Radio. So ganz lässt sich das nicht vermeiden, und ich kündige von Zeit zu Zeit Tore an, bevor der Ball im Tor ist, so wie am Sonntag beim Treffer unseres Spielers José Campana zum zwischenzeitlichen 2:3. Manche Kollegen setzen sich gerade deswegen gerne neben mich, andere gehen dagegen lieber weg."
Wie verfolgen Sie die Auswärtsspiele des FCN – vor Ort, mittels Radio oder vor dem Fernseher?
Günther Koch: "Gerade in der aktuellen Situation versuche ich, möglichst oft zu Auswärtsspielen zu reisen. Allerdings muss ich auch auf meine liebe Frau Rücksicht nehmen, die sich nicht für Fußball interessiert. Wenn ich nicht im Stadion bin, verfolge ich die Partien im Fernsehen und Radio parallel und vergleiche, wer die Situationen wie einschätzt und wer beispielsweise Tore schneller vermeldet."
Günther Koch im FCN-Trainingslager 2002 Fotos: Koch
Welches Gefühl überwiegt beim Blick auf die Tabelle? Die Enttäuschung, dass der FCN aktuell auf Platz 17 steht, oder die Zuversicht, dass der Verein nach einer Hinrunde ohne einen einzigen Sieg nur einen Punkt hinter den Abstiegsplätzen liegt.
Günther Koch: "Die Tabelle schaue ich mir nicht an. Ich schaue vor allem auf die Partien unserer Mannschaft. Seitdem Gertjan Verbeek Trainer ist, bin ich überzeugt, dass wir in der Bundesliga bleiben, da die Spielweise der Mannschaft gut ist.
Bisher haben wir die Ruhe bewahrt, was in der Vergangenheit in Nürnberg nicht immer der Fall war. Wenn wir zusammenhalten, setzt dies hoffentlich Kräfte frei und bringt den Spielern den verlorengegangen Mut zurück."
Sie haben bisher sieben Abstiege mit dem 1. FC Nürnberg erlebt. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass der achte in dieser Saison nicht folgen wird?
Günther Koch: "Der Club kann nicht für alle Peinlichkeiten herhalten. Wir sind schon einmal als Meister sowie als Pokalsieger und einst gar in die Regionalliga abgestiegen. Wir haben einige negative Rekorde inne, in dieser Kategorie müssen wir nicht auch noch alleiniger Rekordhalter sein (Arminia Bielefeld stieg ebenfalls schon siebenmal ab, Anm. d. Red.)."
Kommt daher auch der Spruch: „Der Glubb is a Depp“?
Günther Koch: "Das ist eher liebevoll gemeint. Der Club ist kein Depp, er ist ein Guter, aber nicht gut genug, um sorgenfrei leben zu können."
Was müsste sich ändern, damit die Sorgen schwinden?
Günther Koch: "Es wäre für uns lebenswichtig, dass wir in der Bundesliga bleiben. Nach dem letzten Abstieg haben wir es in den vergangenen sechs Jahren geschafft, Kontinuität in den Verein zu bringen. Wir haben gute Pläne, die mit einem Abstieg vermutlich zusammenbrechen würden."