Der Tabellenführer kommt aus Berlin. Zumindest, was die Torjägerrangliste anbelangt. Der Hertha-Stürmer Adrian Ramos hat in der aktuellen Saison bereits 14 Treffer erzielt, genauso viele wie Robert Lewandowski von Borussia Dortmund. Der kolumbianische Nationalspieler ist nicht nur maßgeblich am momentanen Erfolg des Hauptstadtklubs beteiligt, er taugt auch als Sinnbild für den Berliner Sportclub, der neben Augsburg und Mainz zu den Überraschungsmannschaften der Spielzeit 13/14 zählt.
Zweimal ist der 28-Jährige, seit August 2009 beim Tabellenachten unter Vertrag, mit der Hertha ab- und wieder aufgestiegen, nun, beim dritten Versuch im Fußballoberhaus ist er in einer bestechenden Form. Das Spiel des Aufsteigers ist auf Adrian Ramos zugeschnitten, schnörkellos und meist mit langen Bällen setzt die Mannschaft des Trainers Jos Luhukay ihren Stürmer in Szene. Der Niederländer übernahm Hertha im Juli 2012, der Klub war damals gerade abgestiegen, Adrian Ramos hatte in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf per Kopfball in das eigene Tor getroffen. Der Coach verhalf nicht nur seinem Stürmer wieder zur Höchstform, er führte die Berliner mit neun Punkten Vorsprung zur Zweitligameisterschaft und damit zur Rückkehr in die Bundesliga.
In dieser erarbeiteten sich Adrian Ramos und Co. neun Siege und vier Unentschieden, verloren acht Mal, wobei nur vier Mannschaften weniger Gegentore als die 26 der Hertha kassierten. Auswärts sieht es in dieser Hinsicht noch besser für Berlin aus, Platz fünf (vier Siege, drei Unentschieden, drei Niederlagen) verdienten sich die Hauptstadtprofis bislang, nur drei Klubs kommen in der Fremde auf weniger Gegentore, lediglich fünf Mannschaften haben eine positive Tordifferenz auf des Gegners Platz – FC Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen, FC Schalke 04 und eben Hertha BSC. Wobei die Berliner in Bezug auf das Auswärtstorverhältnis derzeit sogar die drittbeste Mannschaft in Deutschland stellen.
Leidenschaft ist gegen Hosogai und Co. gefragt.
An etwa 60 Prozent der bisherigen Saisontore war Adrian Ramos beteiligt. Diese Stärke kann zugleich aber auch eine Schwäche sein. "Gegen Wolfsburg hatten wir auch wieder vier Chancen", sagte Jos Luhukay nach dem 1:2 gegen den VfL am vergangenen Wochenende der Berliner Morgenpost. "Aber der Unterschied war: Diesmal hat Adrian nicht getroffen. Er hatte seine Momente. Aber Adrian kann nicht immer den Unterschied für uns ausmachen." Die Abhängigkeit des Aufsteigers von seinem Stürmer äußert sich auch in einer anderen Statistik: 80 Prozent der Partien, in denen Adrian Ramos traf, gewannen die Berliner. In elf von seinen 21 Saisonspielen blieb er ohne Torerfolg, davon verließ die Hertha den Platz nur einmal als Sieger.
Adrian Ramos ist zweifelsfrei ein Schlüsselspieler in der Mannschaft von Jos Luhukay. Deren derzeitiger Erfolg basiert allerdings keineswegs nur auf der Torgefährlichkeit des Angreifers. Sie tritt im Spiel gegen den Ball unheimlich diszipliniert auf, verfügt im 4-1-4-1-System über eine geschickte Raumaufteilung, verschiebt gut und schaltet bei Ballgewinn schnell um, ist aber bei Standards anfällig. Die eigenen Angriffe werden aus einer guten Ordnung über das Zentrum und über die Außenbahnen eingeleitet, wobei die Hertha eben mehr über lange Bälle als über das Kurzpassspiel auf das Tor des Gegners drängt.
Für die gute Struktur und Organisation der Berliner sorgen Akteure wie Hajime Hosogai oder Per Skjelbred, die beide vor dieser Saison verpflichtet wurden. Der Norweger kam vom Hamburger SV, spielte dort keine Rolle mehr und blüht nun in der Hauptstadt auf. Generell läuft in Berlin in dieser Spielzeit so einiges zusammen – und auch der Sieg der Wolfsburger am vergangenen Spieltag war "schmeichelhaft", wie Kicker Online schrieb, Berlin sei dem zweiten Treffer näher gewesen als der VfL. "Wir hätten einen, vielleicht sogar drei Punkte verdient gehabt, aber es sollte einfach nicht sein", sagte Per Skjelbred nach dem Abpfiff. Die Hertha reist also mit einer guten Form nach Bad Cannstatt.
Im Gepäck hat der Hauptstadtklub zudem seit Ende Januar noch eine weitere gute Nachricht. Die Berliner schlossen nämlich mit dem Investoren Kohlberg Kravis Roberts (KRR) eine langjährige Partnerschaft, die mehr als 60 Millionen Euro in die Vereinskassen spült und damit für eine "nachhaltige Entschuldung", "nachhaltige Kostenreduktion", ein "deutlich positives Eigenkapital" sowie "langfristige Planungssicherheit" sorgt, wie der Klub auf seiner Homepage verkündete. KRR ist mit diesem Schritt zum Minderheitsaktionär von knapp zehn Prozent geworden.
Hertha BSC hat damit mehr Geld zur Verfügung, um den viel umworbenen Adrian Ramos zu halten. Dieser hätte übrigens in seiner Jugendzeit beinahe mit dem Fußball aufgehört, wie seine Mutter Anayiber der kolumbianischen Zeitung El Tiempo sagte. Denn ihm wurde attestiert, dass er zu schmächtig sei und daher im Fußballsport keinen Erfolg haben würde. So zitiert BZ Online jedenfalls den Geschäftsführer der Nachwuchsabteilung von Adrian Ramos' Jugendverein América de Cali, Héctor Fabio Báez. Doch er blieb dran, versprach seiner Mama nach dem frühen Tod des Vaters, einmal in Europa Fußball zu spielen und dass alles gut werde. Er ist nun seit 2009 auf dem alten Kontinent, und in dieser Spielzeit steht der 28-Jährige ganz oben in der Torjägertabelle der Bundesliga. Damit der Stürmer am Samstag keinen weiteren Treffer erzielt, muss der VfB kompakt, konzentriert sowie intensiv arbeiten – und das Team von Thomas Schneider hat gezeigt, dass es das kann, beispielsweise beim 1:0-Sieg im Hinspiel.