Muss in einem Artikel über Rani Khedira auch Sami Khedira vorkommen? "Jein" ist wohl die beste Antwort auf diese Frage. Einerseits gleicht der 19-jährige VfB Profi seinem sieben Jahre älteren Bruder in zahlreichen Aspekten, kann viel von ihm lernen, steht täglich mit ihm in Kontakt. Andererseits "will ich meinen Weg gehen", sagt Rani Khedira. "Ich bin eine eigene Persönlichkeit, ich bin Rani, nicht Sami." Ein Vergleich läge allerdings auf der Hand, und so bezieht er sich dann auch selbst auf Sami, als er über die Entstehung seiner eigenen Fußballfaszination spricht: "Ich habe ihn schon in der B-Jugend verfolgt, war bei einigen Auswärtsfahrten dabei. Das war einfach geil. Der Fußball an sich hat Spaß und Lust auf mehr gemacht. Ich denke, es gibt nichts Schöneres, als Fußballprofi zu sein."
Rani Khedira ist ein eher stiller Sportfreund, er konzentriert sich lieber auf das Arbeiten, als zu viel zu reden. Wenn er dann mal öffentlich spricht – wie in dieser Woche in einer Presserunde beim VfB – dann beeindruckt der 19-Jährige dadurch, dass er kaum Schablonen benutzt, kaum im Fußball stets wiederkehrende Phrasen verwendet. Darauf angesprochen, ob sein Startelfdebüt gegen Hannover 96 eine Affinität von Thomas Schneider zur Jugend ausdrückt, sagt er: "Der Trainer schaut auf die Leistung und nicht darauf, dass ein junger Spieler aufläuft."
"Mein Verein", sagt der 19-Jährige zum VfB.
"Ein erster kleiner Schritt"
Nach dem 4:2-Sieg hat er viele verbale Schulterklopfer erhalten – von den Medien, von den Mitspielern, von seinem Bruder. "Er hat gemeint, dass es durchaus positiv war, aber es war erst ein Anfang." Das weiß Rani Khedira allerdings selbst. "Das war ein erster kleiner Schritt. Ich bin noch kein gestandener Spieler und werde versuchen, dem Trainer nun weiterhin zu zeigen, dass ich da bin und meine Leistung bringe." Er läuft nicht Gefahr, abzuheben, verfügt aber über das für den Profifußball notwendige Selbstvertrauen und schmunzelt, als er sagt: "Ich habe das Gefühl, dass ich die Chance genutzt habe."
Auch sein Vater sei "durchaus zufrieden" gewesen mit der Leistung des jüngsten Sohnes, "aber er findet immer Kleinigkeiten". Diese kritische Herangehensweise hat der Filius auch selbst schon verinnerlicht: "Man kann sich immer verbessern, immer an etwas arbeiten. Ich könnte beispielsweise noch besser auf dem direkten Weg zum Tor ziehen." Die Meinungen seiner Familienmitglieder sind ihm indes wichtig, denn "sie wollen nur das Beste für mich, daher wäre ich ja blöd, wenn ich nicht auf sie hören würde".
Der Vater hat sich mehr um seine fußballerische Ausbildung, die Mutter eher um den schulischen Part gekümmert. Beide haben ihm dabei vermittelt, "jeden Tag neu Gas zu geben, denn nur so kommt man weiter". In dem deutsch-tunesischen Haushalt spielen darüber hinaus vor allem "deutsche Tugenden wie Ehrgeiz, Disziplin oder Höflichkeit" eine große Rolle. Bodenständigkeit würde auch noch in diese Aufzählung passen. So wird er in der Presserunde geduzt, antwortet aber mit "sie", so hat er in seinem Heimatort Oeffingen zusammen mit seinem älteren Bruder Denny (22) ein Haus gegenüber dem Elternwohnsitz bezogen. Denny ist der dritte Khedira-Junior, er hat ebenfalls fußballerisches Talent, ist jüngst mit dem TV Oeffingen in die Landesliga aufgestiegen, verfolgt aber ein anderes Berufsziel. "Er ist das intelligente Hirn bei uns und kann uns auf diesem Weg beraten", sagt Rani Khedira und schmunzelt.
Abseits des Fußballplatzes tanzt der 19-Jährige im Übrigen ungern, hört indes aber gern Musik. Hip Hop ist sein Ding, "Holy Grail" von Jay Z sein derzeitiger Favorit, "Einer dieser Steine" von Sido gefällt ihm auf dem deutschen Songmarkt. Irgendwie passt es, dass beide Lieder Featuring-Varianten, also Teamproduktionen sind. Rani Khedira ist selbst nämlich ein guter Teamplayer. Das wird auch in Aussagen über Cristian Gentner deutlich, wenn man so will eigentlich sein Positionskonkurrent. "Ich hoffe, dass er wieder fit wird. Er ist unser Kapitän, wir brauchen ihn."
Optimismus für das Wolfsburg-Spiel
Der 19-Jährige ist optimistisch, dass am Samstag in Wolfsburg (18.30 Uhr) der nächste Sieg folgt und sagt über das VfB Team: "Potenzial ist bei uns vorhanden, aber es muss ein guter Mix sein. Die Älteren müssen die Jüngeren führen, diese müssen auf dem Boden bleiben, und alle müssen hart an sich arbeiten." Rani Khedira kennt den VfB, seit 2005 trägt er das Trikot mit dem roten Brustring, wurde in Cannstatt zum Profifußballer ausgebildet: "Mein primäres Ziel ist es, mich hier, bei meinem Verein durchzusetzen und hier meinen Weg zu machen. Der VfB ist ein Topverein, eine große Nummer in Deutschland, und irgendwann möchte ich mit dem VfB oben stehen."
Irgendwie schlägt sein aktueller deutscher Lieblingssong ("Einer dieser Steine") auch eine Brücke zu diesem, zu "seinem" Klub. Denn unter dem Motto "Steine statt Beine", sprich einen starken Fokus auf die Ausbildung eigener Talente legen, steht der Bau des neuen VfB Jugendzentrums – und Rani Khedira ist quasi ein Bein der alten Steine. "Der VfB befasst sich schon sehr lange mit der Jugendarbeit. Bis zur jüngsten Altersklasse machen hier alle einen exzellenten Job. Jeder Spieler hat die Chance, jeden Tag etwas zu lernen." Das wiederum hat auch schon Sami Khedira beim VfB erfahren, denn auch der Real-Madrid-Star durchlief die VfB Jugend. Rani und Sami, das ist eben kaum trennbar.