Er war einer der "Jungen Wilden", hat unter Felix Magath an der Seite von Philipp Lahm, Aliaksandr Hleb, Kevin Kuranyi und Timo Hildebrand in der Champions League gegen Manchester United gewonnen und den roten Brustring insgesamt 14 Jahre getragen. Nach Stationen im Ausland beendete Andreas Hinkel im September 2012 seine Profikarriere. Die ersten drei Monate als Cheftrainer der U12 und Co-Trainer der U16 liegen hinter dem 31-Jährigen, der mit DUNKELROT auf seine Laufbahn zurückblickt, seine Eindrücke als Trainer schildert und Einblicke in seine Gedanken gibt.
Die Vorbereitung mit der U16 ist vorbei, seit dem 31. August rollt der Ball wieder in der EnBW-Oberliga B-Junioren. Wie fällt dein Fazit nach den ersten Wochen als Co-Trainer dieser Mannschaft aus?
Andreas Hinkel: "Gut, es hat in den ersten Wochen riesig Spaß gemacht, mit Tomislav Maric zusammen zu arbeiten und ich konnte viel aus dieser Zeit mitnehmen. Seit er als Co-Trainer von Thomas Schneider zu den Profis gegangen ist, arbeite ich mit Michael Gentner zusammen. Auch von ihm kann ich viel lernen, beispielsweise wie er mit den Jungs umgeht oder wie er seine Ansprachen gestaltet. Er hat schon etwas mehr Erfahrung als ich. Ich bin auf diesem Gebiet ja noch ein Neuling, ein Neueinsteiger sozusagen. Als Co-Trainer versuche ich, ihn zu unterstützen, ihm etwas abzunehmen und wenn mir etwas auffällt, gebe ich natürlich
auch meine Meinung dazu ab."
In der vergangenen Saison lag die U16 am Ende punktgleich mit der TSG Hoffenheim auf Platz eins, wie lautet die Zielvorgabe für diese Spielzeit?
Andreas Hinkel: "Hauptziel ist, die Jungs spielerisch weiterzuentwickeln und ihnen die Philosophie des Vereins zu vermitteln. Wenn sie diese annehmen, sich weiterentwickeln und sich verbessern,dann werden die Ergebnisse auch stimmen und der sportliche Erfolg hinzukommen. Aber klar ist auch, dass wir in der Tabelle vorne dabei sein wollen."
Verteidigte 6 Jahre für die VfB Profis: Andreas Hinkel
In deiner zweiten Funktion beim VfB bist du Cheftrainerder U12, wie lautet hier die Zielvorgabe?
Andreas Hinkel: "Wir versuchen natürlich, den Jungs möglichst viel beizubringen, vor allem im Grundlagenbereich. Das Spannende an meiner Doppelfunktion ist, dass ich als Co-Trainer bei der U16 sehe, was die Jungs dort noch lernen müssen. Das kann ich dann als Hauptverantwortlicher bei der U12 schon umsetzen und den Jungs mit auf den Weg geben, sodass sie es im besten Fall in der U16 schon können. Während es bei der U12 noch darum geht, möglichst allen Spielern die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und die Dinge spielerisch zu lösen, zählt bei der U16 schon viel stärker der Leistungsgedanke. Die B-Junioren stehen vor der Schwelle zum Profifußball und das müssen sie auch verinnerlichen. Ein Timo Werner ist gerade mal anderthalb Jahre älter als die Jungs aus der U16 und läuft schon in der Bundesliga auf. Sie müssen Gas geben und am Ende spielen die Besten. In der U12 versuchen wir, allen Spielern möglichst viele Einsatzzeiten zu geben. In diesem Altersbereich gibt es noch enorme Unterschiede in der Entwicklung. Da können auch die vermeintlich Schwächeren noch einen riesigen Schritt machen."
Bis vor kurzem warst du noch selbst als Fußballprofi aktiv, zuletzt für den SC Freiburg. Wie schwer war für dich die Umstellung vom Profi zum Trainer?
Andreas Hinkel: "Die Umstellung ist ja eigentlich noch voll im Gange. Ich stehe am Anfang meiner Trainertätigkeit und würde mich zurzeit noch als Lehrling betrachten. Es ist etwas völlig Neues für mich, auch wenn ich schon als Spieler viel mitgedacht und mir viele Notizen gemacht habe. Aber Trainer zu sein, das Training zu leiten, vor einer Mannschaft zu stehen, Ansprachen zu halten, das ist teilweise noch ungewohnt. Ich hatte zwar das Glück, in meiner Karriere viele gute Trainer, verschiedene Ansprachen und verschiedene Führungsstile erlebt zu haben, aber wie es ist, selbst in dieser Rolle zu sein, authentisch zu bleiben und seinen eigenen Stil zu finden, ist völlig unterschiedlich. Da stehe ich noch ganz am Anfang und kann noch viel lernen."
Inwieweit profitierst du als Trainer von deinen Erfahrungen als Fußballprofi?
Andreas Hinkel: "Ich habe als Zehnjähriger beim VfB angefangen und bin den kompletten Weg bis zu den Profis gegangen. Ich kann mich sehr gut in die jungen Spieler hineinversetzen. Ich weiß, wie das ist für die Jungs, die neu hierherkommen, wie es für die Eltern ist, die das Projekt VfB Stuttgart für ihr Kind auf sich nehmen. Es kommen Turniere auf sie zu, zu denen sie oft mehrere 100 Kilometer fahren müssen. Außerdem muss die Balance zwischen Schule und Fußball gefunden werden, dafür braucht es die Unterstützung der Eltern. Ich weiß, wie groß der Stress sein kann. Ich habe selbst nach dem Realschulabschluss noch eine Ausbildung gemacht und war Junioren-Nationalspieler. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sich für oder gegen die Profikarriere entscheiden muss. Da kommen viele Konflikte auf einen zu. Man wird schneller erwachsen als andere Jugendliche und muss schon früh wichtige Entscheidungen treffen. Ich kann mich noch erinnern, wie das bei mir war. Im Frühjahr ballt sich alles zusammen. Abschlussprüfungen in der Schule stehen an, die Saison geht in die entscheidende Phase und anschließend geht es weiter mit den Turnieren der Junioren-Nationalmannschaften. Da muss man die Schule, den Verein und den DFB unter einen Hut bringen. 1999 hatte ich meine Abschlussprüfung in der Realschule, bin Deutscher B-Juniorenmeister geworden und mit der U17-Nationalmannschaft stand die Vorbereitung auf die WM in Neuseeland an. Mir war es manchmal schon fast unangenehm, mit der Einladung des DFB zu meinen Lehrern zu gehen und zu sagen, dass ich schon wieder eine Woche vom Unterricht befreit werden müsse. Nach der Schule habe ich nicht alles auf die Karte Profifußballer gesetzt, sondern noch eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann abgeschlossen. Das sind alles Entscheidungen, die auf die Jungs zukommen und ich kann ihnen dabei vielleicht auch ein Stück weit helfen. Für viele stehen in dem Alter andere Dinge im Vordergrund. Denen sage ich, gebt jetzt Gas, konzentriert euch auf Fußball, versucht es und wenn ihr es nicht packt, könnt ihr mit 19, 20 Jahren immer noch Party machen, aber dann habt ihr es wenigstens versucht."
Die Sucht nach Siegen
Vor genau zehn Jahren besiegte der VfB in der Champions League Manchester United. Die Feier fiel aber aus, denn das Team wollte mehr.
Was vermisst du von deinem alten Leben?
Andreas Hinkel: "Das ist schwierig zu sagen. Es war eine super Zeit, aber die Entscheidung für das Karriereende fiel ja nicht von heute auf morgen. Ich habe mir viele Gedanken gemacht und konnte mich deshalb auch ganz gut darauf vorbereiten. Ich hatte das Glück, mein Hobby zum Beruf machen zu können. Aber wie bei allen Jobs ist der Beruf nicht immer nur schön. Unabhängig davon, dass man als Profi viel Geld verdienen kann und man viele Annehmlichkeiten hat, ist es auch knallharte Arbeit. Es gab neben den vielen schönen Phasen auch immer wieder Momente, in denen ich keine Lust auf Training hatte, wo es mal nicht so gut gelaufen ist. Man muss den Druck aushalten können, da man keine Chance hat, wenn man zugibt, dass es einem zu viel wird. Fußballprofis sind die Gladiatoren der Neuzeit. Sie füllen die Stadien, müssen Stärke demonstrieren, dürfen keine Schwäche zeigen, auch dem Gegner nicht, müssen funktionieren wie Maschinen. Ab einem gewissen Niveau stehst du permanent in der Öffentlichkeit, daran muss man sich auch erst gewöhnen. Ich habe schon immer über den Tellerrand hinausgeschaut und mich von Anfang an damit auseinandergesetzt, was auf mich zukommen kann. Ich habe mir immer meinen Freundeskreis von früher bewahrt, außerhalb des Fußballs. Ich habe mich quasi immer in zwei Welten bewegt. Deshalb bin ich nach meiner Karriere auch nicht in ein Loch gefallen wie so viele, die plötzlich nicht mehr umringt werden von vermeintlichen Freunden, die ihnen nach einem guten Spiel auf die Schulter klopfen. Viele genießen es, in der Öffentlichkeit zu stehen, erkannt zu werden. Aber ich empfand es auch teilweise als unangenehm, wenn dich jeder erkennt, über dich getuschelt wird und du aufpassen musst, nichts Falsches zu machen. In Freiburg ist es mir leicht gefallen die Umstellung zu vollziehen, da ticken die Leute und der Verein etwas anders. Man kann sich dort frei bewegen. Aber ich erinnere mich sehr gerne zurück und schaue mir auch immer mal wieder Videos aus meiner Karriere an, denn überall, wo ich war, hatte ich eine sehr schöne Zeit. Aber das Kapitel ist zu Ende und abgeschlossen."
In deiner Karriere hast du unter vielen Trainern gespielt, wer hat dich am meisten geprägt?
Andreas Hinkel: "Ich konnte mir von all meinen Trainern etwas abschauen. Im Nachhinein betrachtet ist es ja schon so, dass ich eine Reihe großartiger Trainer hatte. Ralf Rangnick hat mich zu den Profis geholt, dann hatte ich Felix Magath, Matthias Sammer und Giovanni Trapattoni, auf ihn folgte Armin Veh. In die Nationalmannschaft wurde ich von Rudi Völler berufen, anschließend übernahm Jürgen Klinsmann und dann durfte ich auch noch unter Joachim Löw spielen. Im Ausland war es Juande Ramos in Sevilla, dann noch ein halbes Jahr Manolo Jimenez. Bei Celtic Glasgow habe ich Gordon Strachan kennengelernt, den aktuellen schottischen Nationaltrainer, dann Tony Mowbray und am Ende noch Neil Lennon. Und nicht zu vergessen beim SC Freiburg zu Beginn Marcus Sorg sowie schließlich Christian Streich. Ich kann nicht einen oder zwei hervorheben, da ich von jedem etwas mitgenommen habe. Bei dem einen ist es die Ansprache, beim anderen die Wochenplanung und bei einem weiteren wieder der Umgang mit dem einzelnen Spieler."
Wie würdest du deinen Stil als Trainer beschreiben?
Andreas Hinkel: "Meinen Stil muss ich erst noch finden, das kommt von Einheit zu Einheit. Ich will den Jungs nichts vorspielen, aber ab und zu muss man mal laut werden, auch wenn ich von meiner Art her eher ruhig bin. Da muss ich noch dazulernen, um zu wissen, wann ich lauter werden muss, wann kommandieren, wann einfach nur beobachten. Ich schätze mich schon so ein, dass ich mich unter der Woche voll reinhänge, viel mit den Spielern spreche und am Wochenende bei den Partien nicht mehr ständig dirigieren möchte."
Reizt es dich auch irgendwann einmal in den Erwachsenenbereich zu wechseln und eventuell sogar eine Bundesligamannschaft zu trainieren?
Andreas Hinkel: "Momentan würde ich sagen, es ist für mich nicht erstrebenswert, in der Bundesliga als Trainer zu arbeiten. Ich habe Hochachtung vor den Trainern, die das machen, aber man sitzt eben auch ständig auf dem Schleudersitz. Das Geschäft ist extrem schnelllebig. Man verliert zwei Spiele und schon geht die Maschinerie los. Ich weiß noch nicht, ob ich dieses Leben führen möchte."