Gegen 21.52 Uhr am 1. Oktober 2003 bebte das damalige Gottlieb-Daimler-Stadion. "Das war wirklich so", sagt Andreas Hinkel, als er vom legendären 2:1-Erfolg des VfB gegen Manchester United in der Gruppenphase der Champions League erzählt, der sich an diesem Dienstag zum zehnten Mal jährt. Imre Szabics und Kevin Kuranyi hatten gerade innerhalb von zwei Minuten den VfB mit einem Doppelschlag der Sensation ein großes Stück näher gebracht (51. und 52.).
Von Anfang an hatten Andreas Hinkel und Co. vor knapp 51.000 Zuschauern im Spiel der Gruppe E "ordentlich" gespielt, sich "rangetastet", aber noch die "Zügel aufgrund des Respekts" angezogen, wie der damalige Profi und heutige VfB Jugendtrainer sagt. "Im Laufe der zweiten Hälfte haben wir aber alle Hemmungen verloren." Die Mannschaft wusste schließlich um ihre Stärke. "Wir standen gut und waren im Angriff gefährlich, spielten in der Champions League und mischten in der Liga vorne mit. Da strotzten wir vor Selbstvertrauen", sagt Andreas Hinkel.
"Spannende Doppelfunktion"
Andreas Hinkel sprach mit DUNKELROT über seine bisherigen Eindrücke als Trainer und seine eigene Profikarriere. Das Interview gibt's auch hier.
"Gänsehaut pur" war die Partie für Andreas Hinkel.
Er und seine Kollegen, ein junges Team, in der "alle topfit waren und was am Ball konnten", waren schwer zu bezwingen in diesen Monaten. Obendrein lag der Druck bei den Gästen aus Manchester um die Protagonisten wie Ryan Giggs, den Neville-Brüdern Gary und Philip, Roy Keane, Cristian Ronaldo oder Ruud van Nistelrooy. "Wir hatten gegen diese Weltklassemannschaft nichts zu verlieren", sagt Andreas Hinkel.
Spezielle Bindung zwischen Mannschaft und Publikum
Ein weiterer Pluspunkt des VfB war an diesem Abend die besondere Atmosphäre, diese "überragende" Stimmung auf den Rängen. "Zwischen der Mannschaft und dem Publikum hatte sich schon in den Spielen zuvor eine gewisse Beziehung entwickelt", sagt der damalige Außenverteidiger und ergänzt: "Diese spezielle Bindung hat sich in der Partie entladen. Alle Tribünen, nicht nur die Cannstatter Kurve, haben mitgemacht, geklatscht, gesungen und uns unterstützt. Das habe ich davor und danach in der Form nicht mehr erlebt."
Dennoch gelang den Engländern der Anschlusstreffer, Ruud van Nistelrooy hatte per Foulelfmeter verkürzt und die Spannung somit noch einmal gesteigert (67.). "Die Fans haben bei jedem Ballkontakt von Manchester gepfiffen", erzählt Andreas Hinkel – und dann, dann war sie da, die große Chance zur Entscheidung. Neun Minuten vor dem offiziellen Ende sprach der italienische Schiedsrichter Cosimo Bolognino dem VfB einen Foulelfmeter zu. Fernando Meira trat an und Tim Howard im United-Tor parierte. "Das hat die Spannung hochgehalten, es war Gänsehaut pur auf dem Platz", sagt sein VfB Teamkollege und noch heute sind die Emotionen dieser Minuten spürbar, die sich wenig später im Freudentaumel über den Sieg entluden.
Die Feier fiel dennoch aus, schließlich seien die Profis sofort wieder auf die Liga fokussiert gewesen. "Wir waren geil auf die Siege und gierig auf die Spiele", sagt Andreas Hinkel. "Das war eine Sucht nach Erfolgen", weshalb keine Zeit zum Feiern blieb. Als Gruppenzweiter zog der VfB schließlich ins Achtelfinale ein und scheiterte dort leider knapp am FC Chelsea. In der Bundesliga "haben wir am letzten Spieltag die erneute Qualifikation für die Champions League versemmelt. Dennoch haben wir der Doppelbelastung insgesamt gut standgehalten" – und dennoch wird die Saison 03/04 noch lange in Erinnerung bleiben. Schon allein aufgrund dieses historischen Erfolgs gegen Manchester United.