An eine Besonderheit vom 31. August 1963 kann sich Eberhard Pfisterer noch erinnern. "Gut sogar", wie der ehemalige VfB Profi sagt. An diesem Samstag empfing der VfB zum ersten Bundesliga-Heimspiel der Vereinsgeschichte Hertha BSC und das Besondere dieser Partie war nicht etwa dieser Umstand, sondern die Bekleidung der Stuttgarter Akteure.
"Das war eine ganz komische Angelegenheit", sagt Eberhard Pfisterer und sein damaliger Startelfkollege Manfred Reiner erklärt: "Wir hatten schwarze Hosen und a gelbs Hemmad an. Das waren die Stuttgarter Farben." Ein Novum und bis heute eine Seltenheit in der Geschichte des Klubs mit dem roten Brustring. "Das war der Hammer", sagt Peter Schmid, der aktuell als freier Mitarbeiter in der Historischen Abteilung des VfB ein Experte für solche Angelegenheiten ist und damals als Balljunge im Neckarstadion eingesetzt wurde, weshalb er noch eine andere Erinnerung hervorkramt: "Es gab nur einen Ball. Wenn der über's Tor vor der Untertürkheimer Kurve geschossen wurde, kam erst die Tartanbahn und dann noch das Marathontor. Das war das Schlimmste, weil der Weg so weit war. Einer von uns ist dann immer hingesaut und ein Zweiter hinterher, um den Ball auf halber Strecke zu fangen."
Standen 1963 auch im Kader: Dieter Höller...
...Gerhard Wanner und der erste VfB...
...Bundesliga-Torschütze Rolf Geiger
Das gelb-schwarze Trikot kam nicht so gut an
Die Monate April bis August 1963 sind dem Historiker sehr gut im Gedächtnis geblieben. Erst stieg der VfB nach einer tollen Aufholjagd zum Saisonende in die Bundesliga auf, dann war er als Balljunge beim letzten Meisterschaftsendspiel vor der neu gegründeten Bundesliga in Stuttgart zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln dabei. Anschließend folgte ein Testspiel des VfB gegen den FC Santos um den Weltstar Pele, bei dem Peter Schmid mit den VfB C-Junioren das Vorspiel bestreiten durfte und schließlich stieg das erste Bundesliga-Heimspiel in der Geschichte des Cannstatter Klubs, zu welchem ihm folgende Anekdote einfällt.
Die Tatsache der gelb-schwarzen Trikots verkaufte ein Radioreporter nämlich als Hommage an Borussia Dortmund, den letzten Meister der Vor-Bundesliga-Phase. Dabei liefen Günter Sawitzki, Gerhard Wanner, Rolf Geiger und Co. zu Ehren der baden-württembergischen Landeshauptstadt in diesen für den VfB untypischen Farben auf. "Wir haben halt da drin gespielt", sagt Manfred Reiner: "Das war nichts anderes wie mit dem Brustring, schließlich ist die Leistung wichtig. Ich habe da jedenfalls nicht so sehr drauf geschaut."
Da ging es Eberhard Pfisterer und einigen weiteren Teamkollegen anders. "Das ist in der Mannschaft nicht so gut angekommen", sagt der frühere Mittelfeldprofi und ergänzt: "Wir waren schon immer in weiß-rot aufgelaufen und dann kam plötzlich etwas komplett Anderes. Das hat nicht gepasst." Er selbst hat diesen Dress nicht aufgehoben, aber ein kleines Foto von ihm in gelb-schwarz ist noch in seinem Besitz. Der Historiker Peter Schmid wurde einst auf der Suche nach dieser Trikotausgabe ebenfalls nicht fündig. "Das existiert fast gar nicht mehr", sagt er: "Es hat den Spielern auch nicht gut gefallen und zudem lief die Stadtwerke-Mannschaft in diesen Farben auf. Daher hat es nach einer schlechten Leistung des VfB häufig geheißen: 'Die spielen ja so wie die Stadtwerke'."
Am 31. August 1963, dem Tag des ersten VfB Heimspiels in der Bundesliga, der sich an diesem Samstag zum 50. Mal jährt, waren die Profis aber gut aufgelegt. Rolf Geiger erzielte gegen Berlin das erste VfB Tor der Bundesliga-Geschichte (8. Spielminute), denn den Saisonauftakt verlor das Team mit 0:2 auf Schalke. Für den Endstand am zweiten Spieltag sorgte Erwin Waldner (29.), etwa 40.000 Zuschauer bejubelten den 2:0-Erfolg gegen Hertha BSC im Neckarstadion und der weitere Saisonverlauf sollte noch häufige Freudenausbrüche mit sich bringen. Am Ende belegte der VfB Rang fünf. "Das wäre heute nicht schlecht", sagt Eberhard Pfisterer, lacht und fügt an: "Für uns war das damals jedenfalls ein gutes Jahr und außerdem kam ein Haufen Zuschauer."
Häufig zu Gast in der Mercedes-Benz Arena
Die Fans haben den VfB nach dem ersten Bundesliga-Heimspiel aber nur noch sehr selten mit der schwarz-gelben Montur auflaufen sehen. Manche Akteure vom letzten Augusttag 1963 erinnern sich noch an diese Besonderheit, manche nicht und manche sind leider schon verstorben – aber alle wurden damals durch die Einführung der Bundesliga zum Profi. "Das werde ich nie vergessen. Eines Tages wurden wir in die Wirtschaft von Eugen Böhringer, dem Rennfahrer, auf den Rotenberg gerufen. Dort drückte Präsident Dr. Fritz Walter jedem einen Vertrag in die Hand", sagte Dieter Höller jüngst in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten und Gerhard Wanner ergänzte: "Wir haben erst gar nicht gewusst, was wir damit anfangen sollen. Da gab es ja noch keine Manager. Dann haben wir halt irgendwann unterschrieben."
Die Protagonisten von damals tauschen sich auch heute noch gerne aus – über frühere Geschichten und über den VfB 2013. Einen Tag nach dem 50-Jahr-Jubiläum steht wieder ein Heimspiel an und es ist wieder ein erstes Bundesliga-Heimspiel, zumindest für Thomas Schneider, den neuen Cheftrainer des VfB. Seine Ernennung findet Manfred Reiner gut, "weil man die jungen Trainer ranlassen muss". Er wird sich das Bundesliga-Trainerdebüt des 40-Jährigen am Sonntag in der Mercedes-Benz Arena jedenfalls anschauen. Dort ist er häufiger anzutreffen – und auch wenn das für seinen ehemaligen Mitspieler Eberhard Pfisterer aus gesundheitlichen Gründen nicht gilt, dann haben beide sicherlich eines gemeinsam: sie würden sich auch 50 Jahre nach dem ersten Bundesliga-Heimspiel über ein besonderes Spiel und einen Sieg des VfB freuen, egal in welchem Trikot.