Ehrfurcht, Freude, Leidenschaft: mit diesen drei Begriffen lässt sich die Art und Weise, wie Bernd Wahler und Cacau an diesem Montag den Geburtstagsfilm zum 120. des VfB angeschaut haben, wohl am besten beschreiben. Das Funkeln in den Augen war jedenfalls sowohl beim Präsidenten als auch beim dienstältesten Profi deutlich erkennbar.
"Wenn man so etwas sieht, dann begreift man, was es bedeutet, ein Teil von solch einem Klub zu sein", sagte Cacau nach dem Videobeitrag auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Vereinschronik und ergänzte: "Der VfB hat mich als Mensch und als Sportler bereichert und ist eine Heimat geworden." Das soll bald auch für Bernd Wahler gelten, der nun etwa eine Woche in seinem neuen Amt hinter sich hat. "Es ist eine Ehre der Präsident eines Klubs mit solch einer Tradition zu sein", sagte er und fügte mit Blick auf die lange Geschichte des VfB an: "Das erfüllt den Verein mit Stolz und ist zugleich ein Ansporn sowie eine Herausforderung die Geschichte erfolgreich fortzuschreiben."
Besondere Momente, besondere Geschichten, besondere Bilder
Er plauderte anschließend noch ein wenig aus dem Nähkästchen der jüngeren Klubhistorie. Als er als Juniorenspieler erstmals beim Training war, wurde fälschlicherweise das Auto seines Vaters gewaschen ("Sie haben das wohl mit dem eines Spielers verwechselt"), und bei der dritten Einheit bekam er eine Trainingsjacke von Johann "Buffy" Ettmayer geschenkt. "Mit der bin ich ins Bett gegangen." Weitere Höhepunkte waren die Meisterschaften. 1992 war Bernd Wahler geschäftlich in Taiwan und gegen Saisonende "ständig am Telefon". Als der VfB den Titel errang, "war ich dort in einem Brunnen baden". Zudem zählen natürlich auch Niederlagen zu den emotionalen Momenten des 55-Jährigen.
Sprachen über ihre VfB Erlebnisse: Cacau und Wahler
So wie der VfB seinen neuen Präsidenten bewegt hat und bewegt, tat es der Klub mit dem roten Brustring auch bei vielen weiteren Fußballinteressierten. Die umfangreiche Geschichte des Vereins für Bewegungsspiele ist nun passend zum 120. Geburtstag von diesem 9. September 2013 an in der neuen VfB Vereinschronik nachzulesen. Die 4,4 Kilogramm schwere und 740 Seiten fassende Trilogie aus Lesebuch, Chronik und Fotoband lässt den Leser hinter die Kulissen blicken und verschafft dabei viele ungewohnte Einblicke in den Alltag eines Profifußballvereins.
"Besonders auffällig war die Ordnung eines Profiklubs, wie durchorganisiert der Verein ist", sagte der Lesebuch-Autor Reiner Schloz, der den VfB in der vergangenen Saison begleitete und sich immer wieder mit den Protagonisten Cacau, Serdar Tasci und Antonio Rüdiger austauschte. "Das war fast schon fürchterlich extrem." Ebenso gewann er gute Einsichten in die Hierarchie einer Bundesliga-Mannschaft und trug in seinem Werk "VfB Stuttgart – Einblicke" viele weitere interessante Aspekte zusammen. Für den Fotografen Toby Binder war es wichtig, dass "mich die Spieler nicht wahrnehmen", denn nur so gelinge in den Bildern ein authentischer Blick. "Nach ein paar Mal haben wir gar nicht mehr gemerkt, dass er da ist", sagte Cacau dann auch und beschrieb die Fotos in "VfB Stuttgart – Impressionen" als welche, "die man nicht jeden Tag sieht".
Geburtstagstorte zum 120. Geburtstag
Michael Thiem durchwühlte derweil unzählige Archive, sichtete viele Videos und sprach mit zahlreichen Zeitzeugen. Seine Aufgabe: "VfB Stuttgart – Chronik". Zahlen, Daten, Fakten, Geschichten über Vereinspersönlichkeiten und vieles mehr sind in die 320 Seiten dieses Trilogie-Teils gepackt. "Wir haben zusammengetragen, was man zusammentragen kann. Ein Schatz, der eine gute Grundlage darstellt", sagte der für die Chronik verantwortliche Redakteur und führte fort: "Ich glaube, dass in Zukunft nur noch wenige Fragen an den Stammtischen offen bleiben."
Leer blieb jedenfalls an diesem Montag kaum ein Magen in der VfB Ehrenloge in der Mercedes-Benz Arena. Der Edelfan Günther Mühlhäuser, der in seiner Bäckerei schon seit langem das VfB Brot verkauft, hatte nämlich eine Geburtstagstorte gebacken – verziert mit einem Bild aus den Anfängen und durchzogen von einem roten Brustring mit Erdbeergeschmack. Ehrfurcht, Freude und Leidenschaft sind wohl auch Begriffe, die den Backvorgang gut beschreiben würden.