Vor zwei Jahren bekam Michael Meusch sehr wenig Schlaf. Zu dieser Zeit stand es nicht gut um den VfB, Abstiegsängste belasteten die Stimmung des Klubs mit dem roten Brustring – und den Zeugwart motivierte das nur noch mehr. Der gelernte Bäcker stand verdammt früh auf, fuhr in die Backstube, in der er in seinem ersten Berufsleben gearbeitet hatte, und backte Hefezöpfe in Hufeisenform, die er mit Schornsteinfeger-Männchen verzierte.
Er war auf der Suche nach dem Glück, wollte mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, seinen VfB retten. Als der Klassenverbleib gesichert war, ist es wohl nicht gelogen zu behaupten, dass Michael Meusch einer der größten Steine vom Herzen fiel. "Das ist mein Verein, ich bin schon als Kind im A-Block gestanden, bin in der Stadt groß geworden", sagt der 50-Jährige.
Ordnung muss bei Michael Meusch sein.
In seiner Zeit beim VfB – und er ist immerhin schon seit 1991 als Zeugwart dabei, zählt er den Nichtabstieg zu den Highlights – genauso wie die Meisterschaft 1992 und den DFB-Pokalsieg 1997. Während des Titelgewinns 2007 war er gerade mit einem Jugendspieler im Krankenhaus, denn in dieser Phase arbeitete er für anderthalb Jahre als Betreuer im Juniorenbereich, die restliche Zeit aber als Zeugwart der ersten Mannschaft.
Größter Stress bei Hin- und Rückreise
Insofern durchlebte er schon viele Trainingslager und weiß, worauf es ankommt, wann es hektisch werden kann, wie die Abläufe im Optimalfall organisiert werden sollen. "Ich bin immer froh, wenn alles vor Ort und danach wieder weg ist", sagt Michael Meusch, denn die Organisation des Transports sei mit das Belastendste. Vor allem am Flughafen stehe er "unter Strom", es darf schließlich nichts verlorengehen.
Wenn alles laufe, sei der Arbeitsalltag im Trainingslager in der Regel "lockerer" als in Stuttgart, schließlich müssen er und sein Zeugwart-Kollege Kostas Papandrafillis die Wäsche in der Heimat selbst waschen und können sie nicht abgeben.
Dennoch hat der 50-Jährige auch in der Türkei sehr viel zu tun. Morgens von 6.30 Uhr an wird die Wäsche des Vorabends fertiggemacht, während des Stabi-Trainings bereitet er am Trainingsplatz alles vor: Luftdruck in den Bällen überprüfen, Leibchen herrichten, Schuhe einfetten, und so weiter. Wenn die Einheit läuft, schaut er nach den Bällen und hilft beispielsweise auch mal beim Tennisball-Torwarttraining mit. Danach räumt Meuschi, wie er im Klub häufig genannt wird, alles wieder auf und säubert die Schuhe. Am Nachmittag folgt das gleiche Procedere noch einmal, gegen 20.30 Uhr endet sein Dienst.
"Traumjob"
Michael Meusch erledigt all das mit Freude und Akribie. "Jeder Zeugwart macht es anders, aber ich möchte das meiste selbst machen, beispielsweise auch das Reinigen der Schuhe. Dann weiß ich einfach, dass alles erledigt ist und seine Ordnung hat", sagt er. Für ihn ist die Tätigkeit beim VfB sein "Traumjob". Er wollte früher immer ein Sportgeschäft haben, "und das ist ja jetzt fast das Gleiche".
Meuschi ist der VfB und der VfB ist auch ein Stück weit Meuschi, er lebt den Klub mit dem roten Brustring, tauscht sich gerne mit den Spielern aus, kennt Akteure wie Sven Ulreich, Daniel Didavi oder Christian Gentner schon seit deren Jugend. Mit einigen Profis ist er auch befreundet, geht manchmal mit ihnen aus und sagt: "Die Spieler schätzen unsere Arbeit, sie sind überhaupt nicht hochnäsig und unterstützen das Funktionsteam hier und da auch."
Dass Michael Meusch darüber hinaus noch etwas vom Fußball versteht, belegt eine Geschichte, an die sich Jochen Schneider im Trainingslager erinnerte. Als der Zeugwart Jugendbetreuer war, sollte er dem Sportdirektor drei Namen nennen, die es später einmal zum Profi schafften - und der 50-Jährige schrieb Daniel Didavi, Sebastian Rudy sowie Patrick Funk auf einen Zettel.
Schöne Auswärtsfahrten
"Michael ist auf der einen Seite die Zuverlässigkeit in Person, andererseits ist er aber auch die gute Seele innerhalb der Lizenzmannschaft", sagt Jochen Schneider. Der Zeugwart fühlt sich derweil "sehr wohl" beim VfB, am meisten gefallen ihm die Auswärtsfahrten: "Man sieht viele schöne Stadien und kann sich mit den Kollegen austauschen, schließlich haben wir ein gutes Verhältnis untereinander."
Schöne Stadien sah er in Belek zwar nicht, aber Spaß machte Meuschi auch dieses Trainingslager. Gegen Ende ist aber wieder angespannter, immerhin müssen am Samstagmorgen 1.800 Kilogramm Gepäck ("Das ist so viel wie noch nie") ihren Rückweg nach Stuttgart finden. Michael Meusch wird in der letzten Nacht in Belek wieder wenig Schlaf bekommen und dachte schon beim letzten Mittagessen in der Türkei über die Logistik des Transports nach.
Als der Stadionsprecher und vfbtv-Frontmann Holger Laser währenddessen Meuschis Speise mit "schöne Pommes rot-weiß" kommentierte, antwortete dieser dennoch hellwach: "Das heißt Pommes weiß-rot." Mehr VfB geht nicht.