Martin Klein denkt vor einem DFB-Pokalspiel immer an den 24. Oktober 2006. Damals besiegte sein Lieblingsklub, der 1. FC Köln, in der zweiten Runde dieses Wettbewerbs den FC Schalke 04 mit 4:2 nach Verlängerung. "Thomas Broich hat das Spiel seines Lebens gemacht", sagt der 30-Jährige, der in Wissen zwischen Köln und Siegen geboren wurde, nach dem Abitur 2002 für das Studium nach Tübingen ging und mittlerweile in Stuttgart wohnt.
Bereits in dem Moment bei der diesjährigen Achtelfinal-Auslosung, als die vorletzte, die VfB Kugel gezogen wurde, erhielt er die erste SMS. Weitere Nächtigungsanfragen seiner FC-Kumpels gingen ein, sie alle fiebern dem Achtelfinale am Mittwoch (20.30 Uhr) in der Mercedes-Benz Arena entgegen. Martin Klein verpasste nur ein Kölner Gastspiel in Stuttgart, seitdem seine Wahlheimat in Schwaben liegt. Beim 2:0-Sieg des FC 2009 war er in Australien und ist aber auch so zufrieden. "Ich habe noch keine Niederlage erlebt und immer Punkte mitgenommen", sagt er und erzählt, wie er Köln-Fan wurde.
"Et hätt noch immer jot jejange": Martin Klein
Als Jugendkicker war er 1991 bei der Partie des FC gegen Hansa Rostock, außerdem gab es in seinem Umfeld viele Kölner Anhänger und damals streiften Größen wie Pierre Littbarski oder Bodo Illgner den FC-Dress über. "Die waren halt einfach rattenscharf", sagt Martin Klein, der nach einer weniger interessierten Phase in der späten Pubertät nach dem Abitur wieder Herzblut-Kölner wurde.
Er hat sofort die Ergebnisse und Tore der FC-Spiele beim VfB parat, war fast in jedem Stadion in Süddeutschland im Fanblock, wenn Köln zu Gast war und nutzte über die Jahre seine Dauerkarte für das Kölner Stadion, wenn er es in die Heimat schaffte. Auch die mittelmäßigen Leistungen des FC wie die Pokalniederlage in Augsburg 2010 bei minus 15 Grad ("Das war das zweitschlimmste Auswärtsspiel meines Lebens") reduzierten seinen Geißbock-Fanatismus nicht. Er sagt: "Wenn man im Stadion ‚Mer stonn zo dir‘ singt, dann muss man das ja auch immer machen."
"In Köln hat jeder eine Meinung zum FC"
Außerdem sei er zu sehr Kölner und trage zu stark "diese Hoffnung auf Besserung", die Kölsche Grundthese "Et hätt noch immer jot jejange" in sich. Schließlich prägte ihn die Domstadt, wo der eigene Fußball-Klub mehr in die alltägliche Wahrnehmung eingebunden sei als anderswo. "Auch in Köln gibt es Leute, denen Fußball egal ist. Aber dennoch hat jeder eine Meinung zum FC", sagt Martin Klein.
Das liege seiner Meinung nach auch daran, dass die "Vermengung von Stadt und Fußballkultur" dort stärker sei. Ein Großteil der FC-Fanlieder generiere sich schließlich aus den Karneval-Songs, ins Stadion könnten die Zuschauer das ganze Jahr über verkleidet kommen und dort "kann man immer schöne 90 Minuten verbringen" – selbst auch ohne auf das Feld zu schauen.
Andererseits verbindet der 30-Jährige sein "schlimmstes Auswärtsspiel" mit dieser FC-Verrücktheit. 2007 machte er sich am Karnevalssonntag mit einem Kater auf den Weg nach Essen zum Zweitliga-Spiel. Der FC verlor beim Aufsteiger mit 0:5, die Heim-Fans blieben wegen eines Stimmungsboykotts weitgehend ruhig, ganz anders die Kölner. "Um mich rum standen ein Krokodil, ein Cowboy und zwei Prinzessinnen, viele sangen 'Deutscher Meister FC' und bejubelten den gegnerischen Trainer, während die Essener Fans still waren. Das ist nicht in Worte zu fassen", sagt Martin Klein. Auch das ist 1. Fußballclub Köln.
Kein Mauern und Lauern
Für das Pokalspiel rechnet er derweil nicht mit einem "eklatanten Klassenunterschied", schließlich habe der FC seine guten Spiele gegen die "Großen" in Liga zwei gezeigt und "gegen mitspielende Gegner können sie mit ihren schnellen Kontern schon mal einen reinhauen". Daher rechnet er nicht damit, dass die Mannschaft des Trainers Holger Stanislawski mauert und lauert, wenn er auch ein eine defensivere Grundausrichtung erwartet.
Bruno Labbadias Team sei indes in dieser Saison "sehr tagesform-abhängig" und zudem "urlaubsreif", daher sagt Martin Klein mit einem Schmunzeln: "Am besten übersteht der FC die 90 Minuten, powert in der Verlängerung und hofft auf die abnehmende Fitness des VfB." Gefahr für Köln sieht der Magister in Amerikanistik und Neuere Deutsche Literatur derweil in der "teilweise langsamen Rückwärtsbewegung" und darin, dass der FC in dieser Hinrunde häufig über die Außenbahnen geknackt wurde.
Der VfB spielte bislang eine "etwas biedere aber eigentlich erfolgreiche" Saison, sagt der Exil-Kölner und veranschaulicht an einem Vergleich noch einmal die Besonderheit des 1. FC Köln: "Wenn der FC da stehen würde, wo der VfB derzeit ist, dann würden sie in Köln schon den Rathaus-Balkon für die Feier der Champions-League-Qualifikation fegen. In Stuttgart gucken einige derweil eher auf den Abstand zur Abstiegsregion."
Die VfB Fans seien eben kritischer, meint Martin Klein, der ab und an auch ohne Kölner Beteiligung in der Mercedes-Benz Arena ist: "Oder anders formuliert – der FC-Fan sieht tendenziell alles zu positiv." Daher werden bestimmt auch andere Anhänger vor der Partie am Mittwoch an den 24. Oktober 2006 denken.