Hallo Thomas, auf Deiner Fan-Webseite steht, dass Du derzeit einen Schnauzbart wegen der Aktion "Movember"* trägst. Was hat es damit auf sich?
Thomas Hitzlsperger: "Einige Spieler aus der Mannschaft haben beschlossen, dass jeder im Team bei der Aktion mitmachen muss. Wer nicht mitmacht oder sich vor Dezember den Schnauzbart abrasiert, muss für "Movember" spenden. Wir sind aber nicht die Ausnahme, es laufen ziemlich viele Leute mit Oberlippenbart herum. Sehr gewöhnungsbedürftig, aber eben für einen guten Zweck."
Du sagst, viele laufen mit Bart herum. Ist das vielleicht eine typisch britische Sache, dass man sich für solch eine gemeinnützige Aktion nicht zu schade ist?
Thomas Hitzlsperger: "Das kann gut sein, aber auch in Deutschland habe ich vom "Movember" gelesen und weiß, dass einige mitmachen. Allerdings war ich nicht überrascht, dass hier so viele teilnehmen. Das sieht bei den meisten nicht wirklich gut aus, aber das soll auch so sein. Der englische Humor ist ja gemeinhin bekannt und das gefällt mir sehr gut und der Grund ist ja, Geld für einen guten Zweck einzusammeln."
Auch für den DFB im Einsatz: Thomas Hitzlsperger
Dafür nehmen die Engländer den Fußball sehr ernst. Auf der Fan-Homepage ist auch ein Bild veröffentlicht: Du im schwarzen Everton-Trikot am vergangenen Wochenende. Vor einem Monat hast Du dort einen Drei-Monats-Vertrag unterschrieben, nun das erste Mal von Beginn an gespielt. Erzähl doch bitte mal, wie es derzeit so läuft.
Thomas Hitzlsperger: "Im März habe ich meinen Vertrag in Wolfsburg verletzungsbedingt aufgelöst. Dann habe ich mir die nötige Zeit genommen, wieder gesund zu werden, und mit dem Aufbautraining begonnen. Erst im August gab es das Okay vonseiten der Ärzte, dass ich wieder Vollgas geben kann. Mit dem FC Everton habe ich einen erstklassigen Klub gefunden, bei dem ich mittrainieren konnte und nach vier Wochen auch ein Vertragsangebot erhalten habe. Ich bin rundum zufrieden und es ist ein schönes Gefühl, wieder auf dem Platz zu stehen und nicht nur Reha-Einheiten zu machen. Das war keine einfache Zeit."
Wie oft hörst Du eigentlich noch das „Hitz – the hammer“ in Anspielung auf Deine Schussstärke?
Thomas Hitzlsperger: "Ein paar Kollegen nennen mich noch so, entweder Hitz oder Hammer."
Ihr seid derzeit Fünfter in der Premier League – mit nur vier Punkten Rückstand auf den Drittplatzieren FC Chelsea. Was ist in dieser Saison mit Everton möglich?
Thomas Hitzlsperger: "Wir sind gut gestartet, das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Die ersten vier Plätze spielen meistens immer dieselben Klubs unter sich aus, aber wir wollen uns dort oben festbeißen. Wir kämpfen um den Einzug ins internationale Geschäft. Das ist realistisch, aber auch ein hoher Anspruch, weil der Klub vergleichsweise wenig Geld ausgibt. Doch mit etwas Glück und harter Arbeit könnte es am Ende klappen."
Und wie gut sind die Aussichten, dass Du nach den drei Monaten weiter bei dem Klub aus der englischen Stadt Liverpool spielst?
Thomas Hitzlsperger: "Ich habe es nun in die Mannschaft geschafft, das ist schon mal ein guter Anfang. Jetzt gilt es dranzubleiben und noch mehr Spiele zu bestreiten. Ich will hier bleiben, weil ich mich sehr wohl fühle und der Zusammenhalt im Team stimmt."
Dein Fokus liegt natürlich auf dem FC Everton und der Premier League, aber verfolgst Du denn trotzdem noch nach das Geschehen rund um den VfB und guckst Dir das Europa-League-Spiel in dieser Woche an?
Thomas Hitzlsperger: "Klar verfolge ich den VfB noch. Das mit dem Anschauen ist jedoch etwas schwierig, weil hier die englischen Klubs übertragen werden. Aber die Zusammenfassung der VfB Spiele sehe ich meistens. Der Sieg am Wochenende war Gold wert, die Mannschaft hat sich wieder gefangen. Nach dem verkorksten Start war das wichtig, denn die Erwartungshaltung ist stets hoch. Es ist schön zu sehen, dass sich das Team befreit hat und wieder besser dasteht. Auch gegen Bukarest haben sie eine gute Chance."
"Hitz" stand am Wochenende in Evertons Startelf.
In der rumänischen Hauptstadt trifft der VfB am Donnerstag von 21.05 an auf Steaua. Bei den beiden vergangenen Auftritten des VfB in Rumänien hast Du jeweils durchgespielt, 2009 in der Champions-League-Qualifikation gegen Timisoara und in der Gruppenphase gegen Urziceni. Welche Besonderheiten muss die Mannschaft im Nationalstadion von Bukarest gegen Steaua erwarten?
Thomas Hitzlsperger: "Ich kann nicht viel zum aktuellen Team von Steaua sagen, bin mir aber sicher, dass sie gegen den VfB alles geben werden. Der internationale Wettbewerb ist nun mal eine große Bühne für die Spieler aus Bukarest, die werden sich als Team zerreißen um weiterzukommen – und jeder einzelne um sich zu präsentieren. Die Atmosphäre könnte sicherlich auch eine Rolle spielen, denn so wie die Spieler werden auch die Fans heiß auf das Spiel sein."
"Gänsehaut-Stimmung ist immer gut"
Auch Bruno Labbadia erwartet einen "Hexenkessel". Was hilft in so einer Situation, welche Erfahrungen hast Du da gemacht? Schließlich ist ein osteuropäischer Hexenkessel anders als ein deutscher.
Thomas Hitzlsperger: "Natürlich. Obwohl die Stadien kaum überdacht sind, kann es richtig laut werden. Das kann man aber auch als Gegner nutzen. Schließlich ist es immer gut, wenn es laut ist und Gänsehaut-Stimmung aufkommt. Es bleibt zu wünschen, dass sich die VfB Spieler von der guten Stimmung anstecken lassen und mit drei Punkten nach Hause fliegen."
Wie könnte der Schlüssel zum Erfolg aussehen?
Thomas Hitzlsperger: "Das ist für mich schwierig zu sagen, weil ich zu weit weg bin. Es ist jedenfalls gut, dass der VfB etwas entspannter anreisen kann, weil sich die Situation in der Europa League und auch in der Bundesliga entschärft hat. Die Mannschaft hat mehr Selbstvertrauen, ist mittlerweile gefestigt und kann das Spiel in Bukarest weniger verkrampft angehen."
Könntest Du Dir eigentlich vorstellen, wieder näher dran zu sein und irgendwann noch einmal für den VfB aufzulaufen?
Thomas Hitzlsperger: "Damit befasse ich mich momentan nicht. Ich hatte beim VfB eine super Zeit, habe Erfolge gefeiert sowie tolle Menschen kennengelernt und blicke daher gerne zurück. Wie es in ein paar Jahren aussieht, kann ich nicht sagen. Jetzt zählt aber erst einmal der FC Everton."
Du sprichst von einer "super Zeit" beim VfB. Welche Geschichte erzählst Du denn in England immer wieder, wenn Du über die Jahre in Stuttgart berichtest?
Thomas Hitzlsperger: "Ich werde ab und an auf die Meisterschaft 2007 angesprochen. Darüber erzähle ich natürlich gerne, genauso wie über die Spiele in der Champions League, das waren Highlights."
*Jedes Jahr im November inspiriert "Movember" tausende Männer weltweit, sich für den guten Zweck einen Schnurrbart wachsen zu lassen und so das Bewusstsein für Prostatakrebs zu stärken und Spendengelder zu sammeln. Seit den Anfängen in Melbourne 2003 hat sich Movember zu einer globalen Bewegung entwickelt und mehr als 1,9 Millionen Teilnehmer. Hier gibt es weitere Infos.