Hallo Tunay, Du hattest in Deiner bisherigen Zeit hier Verletzungspech. Zweimal musstest Du wegen eines Muskelfaserrisses im gleichen Muskel pausieren. Jetzt bist Du aber wieder da, was sagt der Körper?
Tunay Torun: "Aktuell fühle ich mich ganz gut. Ich hatte noch ein wenig muskuläre Probleme, aber die sind jetzt auch auskuriert. Ich hoffe, dass jetzt nichts mehr passiert und ich voll angreifen kann."
Vor Deinem Wechsel hast Du in der Hauptstadt und beim HSV sowie für St. Pauli gespielt. Berlin, Hamburg, Stuttgart – welche Stadt würde in Deinem Empfehlungsschreiben am besten abschneiden?
Tunay Torun: "Jede Stadt ist ganz anders. Natürlich ist Hamburg für mich aber die schönste Stadt, weil ich dort groß geworden bin. In Stuttgart war ich vor meinem Wechsel nur zu den Spielen und da haben wir kaum etwas gesehen. Aber jetzt muss ich schon sagen, dass ich überrascht bin, wie viele Möglichkeiten man hier hat. Die Stadt ist halt ein bisschen kleiner, aber sie gefällt mir sehr. Meine Freundin und ich fühlen uns hier sehr wohl. In Berlin ist dagegen alles fast schon übertrieben groß. Das ist gewöhnungsbedürftig, auch wenn ich dort eine schöne Zeit hatte."
Technisch stark: Tunay Torun
"Wie ja fast alle wissen, sind die Türken unheimlich stolz auf ihr Land – und ich gehöre natürlich auch dazu" hast Du mal in einem Interview mit einem HSV-Blog gesagt. Inwiefern sind in den drei Städten die Reaktionen der Türken anders?
Tunay Torun: "Ich muss sagen, dass die Türken in Stuttgart – wahrscheinlich im Süden generell – schon ein wenig anders sind als die in Berlin oder Hamburg. Sie sind offener in einigen Dingen und ich glaube auch, dass sie etwas besser integriert sind. Es ist aber auch schwierig, weil es in Berlin und Hamburg sehr viele Türken gibt. Die verbringen die Zeit dann oft miteinander, daher fällt das Lernen der deutschen Sprache etwas schwerer. Das läuft hier anders, ich merke, dass meine türkischen Freunde hier etwas besser klarkommen."
Würdest Du sagen, dass sich die Schwaben beziehungsweise die Süddeutschen vielleicht mehr öffnen oder doch die türkischstämmigen Bürger im Süden?
Tunay Torun: "Ich denke, dass bundesweit viel unternommen wird, um Ausländer zu integrieren. Es ist einfach schwierig, weil sich die Leute vielleicht auch schämen, die Sprache zu sprechen. Ältere Türken verstehen beispielsweise oft vieles, trauen sich aber nicht zu sprechen. Daher fühlen sie sich manchmal wohler unter den eigenen Landsleuten, weil sie dort ohne Hindernisse kommunizieren können. Ich denke, das ist ein großes Problem. Aber es gibt auch das Gegenteil, Ausländer die nach zehn Jahren hier fließend Deutsch sprechen. In Deutschland wird ihnen jedenfalls viel geboten."
Kommen wir zum Sportlichen. Nun ist die Vorrunde bald vorüber, Du bist seit knapp einem halben Jahr beim VfB. Wie fällt Dein Zwischenfazit aus?
Tunay Torun: "Es ist gemischt. Ich fühle mich hier sehr wohl, bin glücklich. Die Mannschaft ist super, das Trainerteam ebenfalls. Das vergangene Jahr war für mich sehr schwierig, daher musste ich erst einmal zu mir finden und auch mein Selbstbewusstsein wieder aufbauen. Beim VfB haben mich dann leider die Verletzungen ein wenig zurückgeworfen. Ich weiß aber, was zu tun ist und werde für den VfB immer 100 Prozent geben. Ich werde den Fans noch zeigen, was ich drauf habe."
Du sagst, es ist gemischt gelaufen. In der Liga wurdest Du vier Mal ein- sowie einmal ausgewechselt und hast einmal durchgespielt. Unabhängig von den Verletzungen, wo siehst Du bei Dir selbst noch Optimierungsbedarf, um auf mehr Einsatzzeiten zu kommen?
Tunay Torun: "Ich möchte natürlich mehr spielen, das ist auch wichtig. Man muss aber auch sehen, dass die Mannschaft eingespielt ist. Ich wusste, dass es schwer wird, bevor ich hierhergekommen bin. Aber ich werde weiter um meinen Platz kämpfen und bin mir sicher, dass ich mich auch durchsetzen werde. Dafür sollte ich torgefährlicher werden und versuchen, noch mehr den Zug nach vorne zu suchen, eins gegen eins zu gehen. Aber ich denke, das kommt mit der Zeit, denn ich weiß, was ich kann. Es war vor allem das Selbstvertrauen, das mir gefehlt hat, und mittlerweile merke ich, dass es immer besser wird und daran werde ich weiter arbeiten."
Torun hat neun Einsätze im türkischen Nationalteam
Am Donnerstag fällt die Entscheidung in der Gruppenphase der Europa League. Ihr habt es selbst in der Hand, mit einem Sieg seid ihr sicher weiter, könntet auch noch Gruppensieger werden. Warum wird der VfB international überwintern?
Tunay Torun: "Weil wir bis jetzt in jeder schwierigen Situation gezeigt haben, dass wir mit dem Druck umgehen können. Wir sind außerdem keine Mannschaft, die sich vor den nächsten Spielen drücken muss, und wir werden versuchen den Zuschauern eine schöne Partie zu bieten. Wir denken nur positiv."
Molde ist bereits ausgeschieden, zudem ist die norwegische Liga beendet – für Euch ein Vor- oder ein Nachteil?
Tunay Torun: "Im Fußball will man immer jedes Spiel gewinnen, auch wenn es ein Freundschaftsspiel ist. Daher dürfen wir nicht denken, dass Molde nachgeben wird. Die werden trotzdem Gas geben. Es ist eine internationale Bühne, auf der sich die Spieler beweisen und zeigen wollen. Es ist ein wichtiges Spiel und wir müssen von Anfang an zu 100 Prozent da sein."
Die Mannschaft von Ole Gunnar Solskjaer hat schon in der norwegischen Tippeligaen bewiesen, was sie kann. Schließlich ist sie vor kurzem Meister geworden. Denkst Du, dass die Mannschaft das beflügelt?
Tunay Torun: "Die Mannschaft hat sicherlich Selbstvertrauen. Außerdem hat Molde im Hinspiel gegen uns gewonnen, daher denke ich nicht, dass die Spieler Angst haben. Aber wir werden uns gut auf den Gegner einstellen und am Donnerstag alles geben."
Du hast es angesprochen: 0:2 in Molde verloren. Was muss diesmal besser werden, damit das nicht nochmal passiert?
Tunay Torun: "Wir müssen defensiv gut stehen und jeder muss 100 Prozent geben und für den Mitspieler auch Wege nach hinten mitmachen, die weh tun. In den vergangenen Spielen haben wir gezeigt, wie gut wir auch defensiv stehen können. Nach vorne wollen wir die Chancen dann nutzen."
Ole Gunnar Solskjaer kündigte an, dass er vor allem junge Spieler einsetzen will. Ist so etwas eher unangenehm, weil die sich ganz besonders beweisen wollen, oder für euch gut, weil ihr mit der größeren Erfahrung und Abgezocktheit aufwarten könnt.
Tunay Torun: "Das kann man nicht wirklich gegeneinander abwägen. Eine Mischung aus beidem ist generell wichtig. Junge Spieler, die heiß sind Fußball zu spielen und sich einiges zutrauen. Erfahrene Spieler, die beispielsweise wissen, ob sie in einer gewissen Situation draufgehen müssen, oder ob sie dadurch dem Gegner Räume öffnen würden. Es wird jedenfalls kein leichtes Spiel, man muss aber ohnehin mittlerweile in jede Partie so reingehen, als ob man ein Finale bestreitet."
In so einem Endspiel tut dann natürlich auch die Unterstützung von den Rängen gut. In Bukarest hat man gesehen, was auch in der Europa League möglich ist. Bislang sind bei euch zu den internationalen Heimspielen aber leider noch nicht so viele Zuschauer gekommen. Warum würdest Du einem Fan empfehlen, am Donnerstag von 19.00 Uhr an in der Mercedes-Benz Arena zu sein, wie würdest Du dafür werben?
Tunay Torun: (lacht) "Es ist schwierig für die Fans, wenn die Mannschaft einen Durchhänger hat, aber wir sind mittlerweile auf einem guten Weg. Daher würde ich mich einfach freuen, wenn viele kommen. Wir versuchen immer schönen Fußball zu bieten und möchten den Fans möglichst viele Tore schenken."