Hallo Herr Veh, wenn Ihnen vor der Saison jemand gesagt hätte, dass Sie zu Ihrem ehemaligen Klub am neunten Spieltag als Tabellenzweiter anreisen, was hätten Sie dann geantwortet?
Armin Veh: "Wahrscheinlich, dass ich darüber sehr glücklich wäre, das aber nicht glauben kann. Hier tut man sich ohnehin gerade etwas schwer mit der Euphorie, weil man das gar nicht mehr gewohnt ist."
Wie fällt Ihr Fazit nach acht Bundesliga-Spielen mit Eintracht Frankfurt aus?
Armin Veh: "Ich staune jedenfalls nicht. Wir hatten eine relativ lange Vorbereitung und haben daher auch mit den vielen Neuzugängen lange arbeiten können. Somit konnten wir uns schon relativ früh mit dem Team einspielen, das auch fast komplett so am ersten Spieltag auflief. Ich weiß, dass meine Spieler gut kicken können und über eine gute Schnelligkeit verfügen. Und dann kam auch noch das Quäntchen Glück in den engen Spielen dazu. Wir hätten auch weniger Punkte haben können. Auf der anderen Seite wären aber sogar auch noch ein paar Zähler mehr drin gewesen. Noch wichtiger ist für mich aber die Art und Weise. Ich möchte, dass wir ordentlich Fußball spielen."
Auch das klappt ja bislang ganz gut. Stimmt es, dass Sie Ihrer Mannschaft in der Vorbereitung Videos von Borussia Dortmund gezeigt haben?
Armin Veh: "Ja, das stimmt. Aber zunächst einmal braucht man auch die Profis, die dieses schnelle Umschaltspiel ausüben können. Sonst bringen die Videos nichts. Dortmund ist ein Vorbild für uns, und am besten kann man sich die Spielweise einprägen, wenn man sie auch sieht."
Was von der Borussia haben Sie Ihren Spielern genau mit auf den Weg gegeben?
Armin Veh: "Dass ich gerne dieses unheimliche Tempo im Spiel sehen würden. Diese Geschwindigkeit ist ausschlaggebend. Aber Dortmund ist diesbezüglich unser ganz, ganz großer Bruder."
Haben Sie die Neuzugänge auch anhand dieser Kriterien ausgesucht?
Armin Veh: "Es war fast ein Vorteil, ein Jahr lang die zweite Liga zu erleben. Ich habe mir unheimlich viel angeschaut und die Liga sowie die Spieler danach fast auswendig gekannt. Wir haben quasi aus der Not eine Tugend gemacht."
Der Frankfurter Kader ist jung, und die Strategie langfristig angelegt. Kommt der Erfolg vielleicht nicht sogar etwas zu früh?
Armin Veh: "Wir haben erst acht Spiele hinter uns. Das ist ein bisschen was, aber noch nicht viel. Für uns zählt weiterhin jeder Punkt, und wir werden unser Ziel nicht ändern. Oberste Priorität hat der Klassenerhalt. Es kann natürlich gerne mehr kommen. Danach sollte der nächste Schritt folgen, denn die Struktur ist da, wir müssen den Kader im Sommer nicht mehr groß ändern."
War von 2006 bis 2008 beim VfB: Armin Veh
Sehen Sie Parallelen zwischen dem VfB vor sechs Jahren und der heutigen Eintracht?
Armin Veh: "Ich mag es eigentlich nicht, Parallelen zu ziehen. Stuttgart ist Stuttgart, und Frankfurt ist Frankfurt. Es sind auch andere Spieler. Aber in der Tat hatte ich damals viele junge Talente, wie Serdar Tasci, Sami Khedira oder Mario Gomez. Da haben wir auch jetzt ein paar im Team, die ihren Weg machen werden, vielleicht auch mal ins Nationalteam. Aber damals hatten wir auch mehr gestandene Spieler wie Fernando Meira oder Matthieu Delpierre, die Mannschaft hatte mehr Substanz. Daher kann und möchte ich das auch gar nicht vergleichen."
Wie sehen Sie denn den heutigen VfB?
Armin Veh: "Wenn man bedenkt, dass sich das Team gegenüber der vergangenen Rückrunde kaum verändert hat, dann glaube ich schon, dass der VfB immer noch das Potential hat, wieder um die internationalen Plätze mitzuspielen - trotz der Schwächephase am Anfang, die man einfach in einer Saison mal hat. Aber man darf das auch nicht für selbstverständlich nehmen. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass der VfB immer unter die ersten Fünf kommen muss."
Ist denn Frankfurt schon so weit, dass die Eintracht dem VfB auch in der Mercedes-Benz Arena ihr Spiel aufdrängen kann?
Armin Veh: "Ich wäre ja schön blöd, wenn ich das sagen würde. Man hat glücklicherweise als Aufsteiger den Vorteil, dass die etablierten Vereine die Favoritenrolle einnehmen müssen und wir unsere Jungfräulichkeit bewahren können."
Diese Gelassenheit, die Sie meist an den Tag legen. Ist das Ihr Naturell, oder woher kommt das?
Armin Veh: "Man hat mit dem Alter ja nicht viele Vorteile, schließlich kriegt man beispielsweise Falten. Aber man bekommt immer mehr Erfahrung und kann daher auch gelassener sein."
In der Länderspielpause haben Sie sich einfach mal ein paar Tage frei genommen und sind unter anderem viel mit Ihrem Hund spazieren gegangen. Wie geht so was?
Armin Veh: "Wir waren quasi mehr Trainer als Spieler auf dem Platz. Als Bundesliga-Trainer geht so eine Auszeit, wenn überhaupt, nur in solch einer Phase."
Ist das irgendwie ein Beleg für die Aussage, dass Sie sich nichts mehr beweisen müssen, die Sie einmal getätigt haben?
Armin Veh: "Was heißt beweisen. Ich will mir selbst beweisen beziehungsweise zeigen, dass ich einen guten Job mache und immer versuche, etwas zu verbessern. Wir verdienen zu viel Geld, dass wir nur herumstehen und trainieren. Wir sollten mit unserem Know-how schon einen Einfluss auf den Verein nehmen."
Einfluss nehmen Sie natürlich auch auf Ihre Spieler. Wie werden Sie Ihre Mannschaft gegen den VfB einstellen, was können Sie da schon verraten?
Armin Veh: "Das sage ich Ihnen nicht. Das erfährt zuerst meine Mannschaft."
Und was erwarten Sie vom VfB?
Armin Veh: "Ich glaube schon, dass sie das Spiel machen müssen und auch werden. Das erwartet man in Stuttgart auch."
Was denken Sie heute über Ihre Zeit beim VfB?
Armin Veh: "Die war am Ende einfach abgelaufen. Wir waren Deutscher Meister und im Pokalendspiel. Es ist dann schwierig, solche Erfolge zu wiederholen. Aber man vergisst schnell, dass es wenige Vereine gibt, die in den vergangenen zehn Jahren so erfolgreich waren wie der VfB. Doch man will halt immer noch mehr, am besten in die Champions League. Es wird jedenfalls immer so sein, dass ich Stuttgart in meinem Herzen habe. Ich bin eigentlich nicht so ein Sprücheklopfer, aber diese Emotionen nach der Meisterschaft werde ich nicht vergessen, das war etwas ganz Besonderes in meinem Leben."