Hallo Herr Schmadtke, 2009 haben Sie als Sportdirektor in Hannover begonnen. Nach einer emotional und sportlich sehr schwierigen Saison ging es seither mit 96 bergauf. Das Graue-Maus-Image war gestern, heute ist attraktiver Fußball angesagt. An welchen Stellschrauben haben Sie gedreht, denn der Erfolg wird neben Martin Kind und Mirko Slomka vor allem auch mit Ihrer Person in Verbindung gebracht?
Jörg Schmadtke: "Unser Erfolg ist natürlich eine Entwicklung. Ich denke, dass wir nun seit rund zwei Jahren mit einer Mannschaft spielen, die nur auf ganz wenigen Positionen verändert wurde. Das Team ist eingespielt und hat entsprechend eigene Automatismen entwickelt."
Dabei haben Sie als ehemaliger Torwart vor allem auch auf der anderen Seite des Platzes ein gutes Transfer-Händchen bewiesen, Didier Ya Konan, Mame Biram Diouf oder Mohammed Abdellaoue haben schließlich alle eingeschlagen. Wie sieht Ihr Stürmer-Aufspür-Rezept aus?
Jörg Schmadtke: "Wir sollten das nicht nur auf die Stürmer reduzieren. Bei jedem Transfer befassen wir uns intensiv mit dem Spieler: Neben den sportlichen Aspekten gehören dazu auch persönliche, charakterliche Merkmale. Dazu benötigen wir eine Vielzahl von Informationen, die wir auswerten. Deshalb ist grundsätzlich jeder Transfer kompliziert. In der Tat haben wir aber in der Vergangenheit einige richtig gute Verpflichtungen getätigt."
Überzeugen Sie diese Spieler dann auch eher mit Fakten und klaren Worten als mit zu viel verbalem Honig? Denn in einem Interview mit der Welt haben sie jüngst gesagt: "Es wird zu viel gequatscht in diesem Geschäft."
Jörg Schmadtke: "Bei dieser Haltung bleibe ich auch. Und letztlich muss man ja auch sagen, dass man ausschließlich mit Quatschen keinen Spieler und keinen Berater überzeugen kann."
Nun gastiert Hannover am Wochenende beim VfB. International steht 96 besser da. Auch die Begeisterung bei den Hannover-Fans für die Europa League ist um einiges größer. Woran könnte das liegen?
Jörg Schmadtke: "Der VfB hat in den vergangenen Jahren, gerade auch in der Champions League, viel internationale Erfahrung gesammelt. Wir waren im vergangenen Jahr Newcomer in der Europa League. Und deswegen sind diese internationalen Abende für den Klub und seine Fans immer noch sehr besonders. Die herausragenden Leistungen der Mannschaft tragen dann dazu bei, dass unsere Europa-League-Spiele von ausgezeichneter Stimmung geprägt sind. Uns haben über 10.000 Fans nach Kopenhagen begleitet. Wer dabei war, wird diesen Abend nicht so schnell vergessen."
1995 im Freiburg-Tor gegen den VfB: Jörg Schmadtke
Ist es eigentlich ein Vorteil für Ihren Klub, dass Hannover gegen Helsingborgs IF zu Hause spielte und der VfB nach Kopenhagen reisen musste?
Jörg Schmadtke: "Nein. Der VfB hat gewonnen, hat Kopenhagen in der Tabelle überholt und seine eigene Position in der Gruppe verbessert. Mit einem Erfolgserlebnis regeneriert man deutlich besser als nach einer Niederlage."
"Ich erwarte zwei kompakte Mannschaften"
In der Bundesliga haben beide Teams indes eine ausgeglichene Bilanz in der Saison, 96 aber einen Punkt mehr. Der VfB verzeichnet jedoch nach dem Holperstart einen deutlichen Aufwärtstrend. Was erwarten Sie von der Partie am Sonntag?
Jörg Schmadtke: "Zwei kompakte Mannschaften, die immer auch ihre Chancen in der Offensive suchen. Wir wollen es besser machen als beim 0:3 in der vergangenen Saison."
Sie hoffen natürlich auf einen Sieg, aber warum, denken Sie, wird Hannover das Spiel für sich entscheiden?
Jörg Schmadtke: "Uns muss es gelingen, sehr effizient zu agieren. Wahrscheinlich wird der VfB uns nicht viele Chancen gestatten. Wenn wir zum Abschluss kommen, müssen wir eiskalt sein. Sonntag ist Effektivität gefordert."
Und woran könnte dieser Plan scheitern, also wo sehen Sie die Stärken des VfB?
Jörg Schmadtke: "Der VfB hat unter anderem mit Martin Harnik und Vedad Ibisevic überragende Offensivspieler. Ibisevic ist mir damals in der zweiten französischen Liga in Dijon aufgefallen, deswegen habe ich ihn zu Alemannia Aachen in die Bundesliga geholt. In der Defensive agiert der VfB sehr kompakt, lässt zumeist wenig zu."
Sie haben als aktiver Torhüter 17 Mal gegen den VfB gespielt, das ist neben Dortmund somit Ihr häufigster Gegner in Ihrer Karriere gewesen. Erzählen Sie uns doch bitte zum Abschluss noch, welche die einprägsamste Partie war, und warum?
Jörg Schmadtke: "Ich habe den 15. März 1986 in nicht wirklich guter Erinnerung. Mit Fortuna Düsseldorf habe ich im alten Rheinstadion gegen den VfB Stuttgart 0:7 verloren. Jürgen Klinsmann hat in diesem Spiel fünf Mal getroffen. Zur Pause stand es 0:2, wir haben uns für den zweiten Durchgang noch mal richtig eingeschworen und wollten das Spiel noch drehen. Das hat leider nicht funktioniert, weil es in der 49. Minute dann schon 0:4 hieß – anschließend ging nichts mehr bei uns. Dieses Spiel, einen Tag vor meinem Geburtstag, bleibt wahrscheinlich immer in meinem Kopf."