Bei der Wahl zum Trainer der Jahrhundert-Elf des VfB Stuttgart landete Christoph Daum mit 14,2 Prozent hinter Joachim Löw und Jürgen Sundermann auf dem dritten Platz. In seiner Zeit beim VfB (1990 bis 1993) holte der 58-Jährige die Deutsche Meisterschaft und ist seither bei den Fans unvergessen.
Begonnen hat Christoph Daum seine Trainerkarriere beim 1. FC Köln, für den er als Amateur auch als Fußballspieler aktiv war. Vor seinem Wechsel zum VfB war er bei den Geißböcken tätig und nach den Stationen Besiktas Istanbul, Bayer Leverkusen, erneut Besiktas, Austria Wien und Fenerbahce Istanbul übernahm er von 2006 bis 2009 noch einmal das Traineramt in der Domstadt.
Vor dem Auswärtsspiel beim FC sprach www.vfb.de mit Christoph Daum über seine derzeitige Tätigkeit beim FC Brügge, über seine Zeit in Stuttgart, den 1. FC Köln und dessen Kampf gegen den Abstieg und natürlich über das Spiel am Samstagnachmittag.
Daum stemmt 1992 die Schale in die Höhe
Hallo Herr Daum, nachdem Sie bereits in Deutschland, der Türkei und in Österreich als Trainer gearbeitet haben, sind Sie nun in Belgien beim FC Brügge angestellt. Was sagen Sie über die Liga und die Stadt?
Christoph Daum: "Ich bin natürlich nicht aus touristischen Gründen nach Brügge gekommen, sondern meine Hauptaufgabe ist, belgischer Meister zu werden. Aber Brügge ist wunderschön, wer einmal dagewesen ist, ist verliebt in diese Stadt, dafür gebe ich eine Geld-zurück-Garantie. Was den Fußball anbelangt gibt es in Belgien ein paar Spitzenvereine wie Standard Lüttich, den RSC Anderlecht oder den FC Brügge, die auch in dieser Saison in der Europa League Punkte fürs Ranking gesammelt und das Ansehen des belgischen Fußballs aufpoliert haben. Man muss aber sagen, dass Belgien ein abgebendes Fußballland ist, die größten Talente werden aus Deutschland, England, Spanien oder Italien aufgekauft."
Und wie läuft es bei Ihnen und dem FC Brügge derzeit?
Christoph Daum: "Ich bin mit dem Ziel nach Brügge gekommen, Titel zu holen. Seitdem ich hier bin, sind wir sehr erfolgreich und ich habe fast 80 Prozent der möglichen Punkte geholt. Die Medien überschlagen sich schon wieder, dass einem angst und bange werden kann. Da muss ich schon manchmal auf die Euphorie-Bremse drücken. Am Sonntag steht das Spitzenspiel gegen Anderlecht auf dem Programm, darauf konzentriere ich mich jetzt."
Mit dem VfB haben Sie den Titel geholt, was ist Ihnen aus der Zeit in Stuttgart in Erinnerung geblieben?
Christoph Daum: "Ich hatte das große Glück, für kurze Zeit erfolgreich beim VfB zu arbeiten. Wir haben damals die erste Gesamtdeutsche Meisterschaft gewonnen und kaum einer hatte damit gerechnet. Umso größer war auch die Freude bei den Fans und bei den Verantwortlichen. Wir sind aus dem Windschatten heraus gekommen, ähnlich wie 2007, als Armin Veh mit dem VfB dank eines überragenden Schlussspurts Deutscher Meister wurde. Vor der Saison haben wir mit Karl Allgöwer einen extrem wichtigen Spieler verloren. Damals ging es dem VfB finanziell nicht besonders gut, aber wir haben mit Slobodan Dubajic, der für 150.000 DM zu uns wechselte, einen tollen Ersatz gefunden. Es gab damals das Schlüsselspiel in Dortmund, als wir mit 4:2 gewinnen konnten, oder das 1:1 in Frankfurt, als wir ohne Guido Buchwald und Matthias Sammer den Punkt bei der vielleicht besten Mannschaft holten. Das alles sind unauslöschliche Erinnerungen die ich mit den Fans und den Verantwortlichen in Stuttgart verbinde.
Hoeneß und Daum nach dem Leverkusen-Spiel
Bis heute läuft bei mir der Film vom entscheidenden Spiel in Leverkusen am letzten Spieltag ab. Wir mussten gewinnen um Deutscher Meister zu werden, lagen mit 0:1 hinten und Andi Thom lupfte den Ball über Eike Immel. Da kam plötzlich Günther Schäfer angerannt und beförderte den Ball mit einem Fallrückzieher noch von der Linie. Alles wäre vorbei gewesen, hätten wir das 0:2 kassiert. Dann bekamen wir einen Elfmeter, wobei das Foul vor dem Sechzehner war, und schafften das 1:1. In der 80. Minute sah Matthias Sammer die rote Karte, nachdem er dem Schiedsrichter applaudiert hatte. Beim Stande von 1:1 nahm ich Fritz Walter und Maurizio Gaudino, unsere beiden Stürmer, vom Feld und brachte Jolly Sverrisson und Manfred Kastl, obwohl wir gewinnen mussten. Dieter Hoeneß meinte zu mir, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Ich antwortete, dass ich eine geniale Idee und alles im Griff hätte. Sverrisson schickte ich in die Abwehr und Buchwald in den Sturm, und wer hat uns zur Meisterschaft geschossen? Buchwald! Das hat sich alles bei mir eingebrannt."
Wie sind Sie mit den Stuttgartern klar gekommen?
Christoph Daum: "Es war unheimlich schwierig, aufgenommen und integriert zu werden in Stuttgart. Ich kann mich noch erinnern, dass es in der Weinstube Muz in Weinstadt einen Stammtisch gab, wo ich in den ersten Monaten nicht einmal angeschaut wurde. Irgendwann kam dann aber Werner Muz persönlich zu mir an den Tisch, gab mir ein Viertelesglas mit meinem Namen darauf und danach war ich offiziell eingeführt. Noch heute habe ich gute Kontakte nach Stuttgart. Ich habe selten so eine tiefe Liebe und Unterstützung erfahren, wie von den Schwaben. In meinem letzten Spiel für den VfB hat das Stadion die letzte halbe Stunde meinen Namen gesungen, da bekomme ich heute noch Tränen in den Augen und eine Gänsehaut. Das gab es kein zweites Mal."
Christoph Daum als FC-Trainer
Und was macht den 1. FC Köln für Sie zu einem besonderen Verein?
Christoph Daum: "Die Kölner haben eine absolute Verbundenheit zu ihrem FC und sind selbst in den schwierigsten Phasen extrem leidensfähig. Diese Unterstützung kann in der entscheidenden Schlussphase der Saison noch ein Faustpfand sein für den FC."
Sind Sie über das Bild, das der FC in der Öffentlichkeit abgeliefert hat, überrascht?
Christoph Daum: "Dieses Bild braucht keiner mehr zu kommentieren, das spricht für sich. Dass es aber in dieser Saison so massiv zum Tragen kam, ist bedauerlich und hat dazu geführt, dass der FC jetzt da steht, wo er steht. Vor dem Hintergrund des Abstiegskampfs muss es aber zunächst nur um das Sportliche gehen und nicht darum, wer neuer Präsident, Sportdirektor oder Trainer wird. Was gewesen ist, interessiert nicht."
Was wünschen Sie sich denn für die Partie am Samstag?
Christoph Daum: "Ich wünsche mir ein ähnlich kurioses Spiel wie damals, als ich mit dem VfB zum ersten Mal gegen Köln gespielt habe. Wir lagen mit 0:2 zurück und haben noch mit 3:2 gewonnen. Nur hoffe ich dieses Mal auf einen Erfolg für die Kölner, da es für den FC ein Befreiungsschlag wäre. Der VfB könnte den Punktverlust im Kampf um die Europa League Plätze wieder ausbügeln, der FC braucht die Punkte like the desert needs the rain."