Beim VfB Stuttgart schaffte Pablo Thiam seinen Durchbruch vom Toptalent zum Leistungsträger, beim VfL Wolfsburg wurde er nach einem schwierigen Jahr beim FC Bayern München wieder glücklich und hält dem Verein auch nach seiner aktiven Karriere als Sportlicher Leiter der U23 noch immer die Treue.
Vor dem letzten Bundesligaspiel zwischen dem VfB und dem VfL sprach www.vfb.de mit dem 38-Jährigen über seine Arbeit bei den „kleinen“ Wölfen, seine Zeit als Spieler beim VfB und in Wolfsburg und natürlich über die Partie am Samstagnachmittag in der Mercedes-Benz Arena.
Hallo Pablo, wir erreichen dich in deinem Büro auf der Geschäftsstelle des VfL Wolfsburg, wo du als Sportlicher Leiter der U23 tätig bist. Was genau beinhaltet dieser Job?
Pablo Thiam: "Grob gesagt, bin ich für das Administrative der U23 verantwortlich. Ich koordiniere die Kaderplanung, kümmere mich um Spielerverträge, das Scouting, Verpflichtungen und bereite zusammen mit U23-Trainer Lorenz-Günther Köstner und Co-Trainer Alexander Strehmel die jungen Spieler auf den Profibereich vor. Da spielt auch die Leistungsüberprüfung neben dem Platz eine Rolle, schließlich spielen bei uns einige Schüler oder Spieler, die nebenher eine Lehre absolvieren."
Wie kam es zu dieser Tätigkeit?
Pablo Thiam: "Als Felix Magath zum VfL Wolfsburg kam, kannten wir uns schon aus gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart. Er hat mich nach einem schwierigen Jahr unter Trainer Klaus Augenthaler wieder reingeworfen und mir vertraut. Felix Magath hat mir dann von seinen Plänen erzählt, den Umbruch einleiten zu wollen und ich dachte damals als älterer Spieler schon über die Zeit nach der Spielerkarriere nach. Schon in Stuttgart muss ich wohl einen guten Eindruck hinterlassen haben, also wurde ich Management-Assistent und konnte bereits in dieses Berufsfeld reinschnuppern und bin durch eine hervorragende Schule gegangen. Schon zu dieser Zeit habe ich mich auch um die U23 gekümmert und dies dann fortgeführt, als Felix Magath zu Schalke wechselte. Die Arbeit als Sportlicher Leiter bei der U23 ähnelt der eines Managers, nur dass ich ohne den ganz großen medialen Druck arbeiten kann."
Felix Magath hat seit seiner Rückkehr zum VfL viele Spieler von außen dazugeholt, ist es da nicht schwierig, sich als junger Spieler aus der eigenen Jugend durchzusetzen?
Pablo Thiam: "Nicht schwieriger als in anderen Vereinen auch. Junge talentierte Spieler gibt es beim VfL einige, aber sie müssen sich zunächst das Niveau für die Bundesliga erarbeiten. Früher war es gang und gäbe, dass ein Jugendspieler dafür zwei bis drei Jahre gebraucht hat, um im Herrenbereich richtig Fuß zu fassen, heute wollen die Jungs alle sofort bei den Profis spielen. Aber auch in dieser Saison durften sich Spieler aus der U23 wie beispielsweise Sebastian Polter bei den Profis zeigen. Sie müssen geduldig sein und an sich arbeiten, man bekommt nichts geschenkt. Der VfL Wolfsburg bietet hervorragende Bedingungen und einige der jungen Spieler sind regelmäßig im Training bei Felix Magath dabei. Letztendlich liegt die Wahrheit aber immer noch auf dem Platz und wer einen etablierten Profi übertrumpft, wird von Felix Magath auch gebracht."
Du hast in Köln, Stuttgart und München gelebt, was hat Wolfsburg als Stadt zu bieten?
Pablo Thiam: "Wolfsburg wird größtenteils unterschätzt und meistens nur mit VW in Verbindung gebracht. Dabei ist es zum einen schön, einen starken Partner zur Seite zu haben, der vielen Menschen in dieser Stadt einen Arbeitsplatz bietet, zum anderen darf man nicht vergessen, dass auch Stuttgart mit Mercedes-Benz einen solchen Partner an der Seite hat. Da ist nichts Negatives dran, wie ich finde. Wolfsburg bietet als Kleinstadt den Vorteil – auch für viele unserer Spieler – dass man das stressige Großstadtleben nicht hat und man ein schönes Umland vorfindet. Hier können Kinder noch alleine draußen spielen, ohne dass man sich Sorgen machen muss. Sportlich ist der Verein dabei, sich zu etablieren und hat 2009 mit der Deutschen Meisterschaft eine Duftnote gesetzt. Unsere U19 war 2011 Deutscher Meister und mittlerweile herrscht auch im Umfeld eine große Identifikation mit dem Verein."
Thiam feiert ein Tor mit Balakov und Lisztes
Du warst auch als Spieler lange Zeit in Wolfsburg, was ist aus dieser Zeit hängen geblieben?
Pablo Thiam: "Wolfsburg bot mir die Chance, nach einem schweren Jahr in München wieder Stammspieler zu werden und ich hatte wieder das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich kam zu einer Zeit, als der Verein große Ambitionen hegte, ein neues Stadion hatte und ich habe zu alter Stärke zurückgefunden. Den Wechsel habe ich nie bereut."
Vor den Bayern warst du von 1998 bis 2001 beim VfB unter Vertrag. Woran erinnerst du aus dieser Zeit?
Pablo Thiam: "In Stuttgart hatte ich in meiner Karriere mit die beste Zeit. Dort habe ich den Sprung in die Bundesliga-Spitze geschafft. Der VfB hatte ein ganz anderes Niveau als der 1. FC Köln, wo ich davor Stammspieler war. Aber beim VfB habe ich plötzlich mit Nationalspielern wie Bobic, Verlaat, Balakov oder Akpoborie zusammengespielt. Ich habe mich tierisch wohl gefühlt, wurde auch super empfangen und habe nur positive Ereignisse im Schwabenländle erlebt. Witzig war auch mein erstes Gespräch mit dem damaligen Geschäftsführer Ulrich Schäfer und dem ehemaligen Manager Karl-Heinz Förster. Schäfer fragte mich, ob ich deutsch sprechen könne, Förster lief rot an und antwortete für mich, dass ich der einzig Anwesende wäre, der des Hochdeutschen mächtig sei. Wir haben alle drei gelacht. Noch heute habe ich Kontakt zu Hildebrand, Bobic, Verlaat oder Thomas Schneider."
Am Samstagnachmittag kommt es am letzten Spieltag zum Duell zwischen dem VfB und dem VfL, was für eine Partie erwartest du?
Pablo Thiam: "Für beide Vereine geht es zum Glück noch um etwas, das finde ich am letzten Spieltag immer schöner, da es spannend ist und die Partie nicht nur so dahinplätschert. Ich befürchte aber, dass eine Mannschaft verlieren muss und hoffe in diesem Fall, dass es nicht der VfL ist. Wenn der VfB am Ende Sechster und der VfL Siebter wird, wäre das doch in Ordnung, oder? (lacht)"