Mit dem Abpfiff beim Saisonfinale gegen den VfL Wolfsburg am Samstagnachmittag ging für Stadionsprecher Christian Pitschmann nach zwölf Jahren und über 250 Heimspielen eine Ära zu Ende. In der kommenden Saison kann der 53-Jährige die Tätigkeit als Stadionsprecher aus beruflichen Gründen nicht mehr wahrnehmen.
www.vfb.de sprach mit Christian "Pitschi" Pitschmann unter anderem über seinen ersten Einsatz, die Aufgaben eines Stadionsprechers und seine absoluten Highlights in den vergangenen zwölf Jahren.
Hallo Pitschi, am Samstag war dein letzter Einsatz als Stadionsprecher. Wie gut ist dir deine Premiere am 19. August 2000 eigentlich noch in Erinnerung?
Christian Pitschmann: "Das erste Heimspiel ist mir auf jeden Fall noch sehr präsent, auch wenn ich zugeben muss, dass ich einige der Spiele schon wieder vergessen habe. Als ich die Mannschaftsaufstellung vorlesen wollte, fiel die Anzeigetafel aus. Zum Glück hatte ich aber meine Unterlagen mit der Aufstellung dabei, deshalb ist alles noch einmal gut gegangen. Aber damals passierte auch noch etwas anderes, was mir noch gut in Erinnerung ist."
Und das wäre?
Christian Pitschmann: "Bei dieser Partie hatte ich auch gleich den ersten richtigen Klops, wo ich dachte: Oh Mann, jetzt ist die Karriere wieder vorbei, bevor sie angefangen hat. Um 15.46 Uhr schoss der VfB gegen Bayer Leverkusen das 1:0. Ich habe dann irgendwie aus Jux und Tollerei die Spielminute mit der Uhrzeit verwechselt und gesagt, dass das Tor in der 46. Minute gefallen sei (lacht). Ralf Rangnick schaute damals von der Trainerbank zu mir rüber, zeigte mit dem Finger auf seine Uhr und schüttelte nur den Kopf. So habe ich sehr früh gemerkt, dass man als Stadionsprecher sehr konzertiert und immer gut vorbereitet sein muss."
Was zählt für dich rückblickend zu deinen absoluten Highlights?
Christian Pitschmann:"Ganz weit vorne kommt für mich die Deutsche Meisterschaft 2007 mit der anschließenden Feier, diesem gigantischen Fest in der Innenstadt. Das waren ein wunderbarer Moment und auch ein sehr schöner Anblick, wie Mannschaft und Fans sich als eine Einheit präsentierten. Alle haben sich gefreut und friedlich miteinander gefeiert. Auch die anschließende Fete mit der Mannschaft im Amici ist unvergessen. Ein weiterer Höhepunkt ist natürlich der legendäre 2:1-Sieg gegen Manchester United in der Champions League. Aber auch in zwölf Jahren nicht abgestiegen zu sein, zählt für mich dazu. Und unabhängig von den sportlichen Highlights gibt es für mich noch eine dritte Sache."
Nämlich...
Christian Pitschmann: "Ein Highlight für mich war auch die perfekte Zusammenarbeit mit dem gesamten Stadionteam. Das hat echt Spaß gemacht. Über die Jahre sind wir eine gute Gemeinschaft geworden, die professionell zusammengearbeitet hat. Wir wissen, dass der VfB mit dem Stadionprogramm, mit den ganzen Filmen und Inhalten, einen enormen Aufwand betreibt, aber dafür hat es auch immer viel Lob gegeben."
Bei einem Fußballspiel mit über 50.000 Zuschauern kann man es sicherlich nicht jedem recht machen. Wie hast du für dich die Rolle des Stadionsprechers interpretiert?
Christian Pitschmann: "Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen Ansprache und Anschreien, wobei Letzteres weniger die Aufgabe des Stadionsprechers ist. Das Anschreien machen die Fans in der Cannstatter Kurve ja selbst. Dafür braucht es nicht unbedingt den Stadionsprecher. Den Stadionsprecher braucht es bei einem Tor. Das ist Kult, das muss sein. Ich habe mich immer als Dienstleister von allen Fans gesehen, von denen ja der Großteil nicht jeden zweiten Samstag bei einem Heimspiel ist. Dass diese Personen nach dem Spiel nach Hause gehen und unabhängig vom Ergebnis sagen: Das war gut, das war eine gute Atmosphäre, da gehe ich wieder hin, das ist mit eine der größten Herausforderungen. Hier wollte ich meinen Teil dazu beitragen, schließlich bin ich als Stadionsprecher in diesem Moment auch ein Aushängeschild für den Verein."
Worauf kommt es darüber hinaus noch an?
Christian Pitschmann: "Was man als Stadionsprecher auf jeden Fall transportieren sollte ist, dass man selbst Fan des Vereins ist, dass das eigene Herzblut an dem Verein hängt. Sonst funktioniert es nicht. Ein Stadionsprecher muss authentisch sein, dann wird er auch von allen Schichten der Fangemeinde, die im Stadion sind, akzeptiert. Deshalb habe ich auch immer von 'wir' gesprochen und nicht von 'der' Mannschaft."
Im Stadion war dein Sitzplatz während des Spiels immer direkt neben der Trainerbank. Um diesen Platz haben dich bestimmt die meisten Besucher beneidet, oder?
Christian Pitschmann: "Exklusiv ist der Platz schon und er war auch praktisch wegen der Nähe zum Vierten Offiziellen, aber ich bin häufig auch sehr nass geworden. Ich glaube, ich bin der einzige Stadionsprecher, der kein Dach über dem Kopf hat (lacht). Vor allem bei Regen war das schon immer sehr kurios. Ich glaube nicht, dass bei schlechtem Wetter oder Minus 16 Grad, wie beim Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim, jemand mit mir den Platz tauschen möchte."
Teil 2: "Ich gehe auch mit einem weinenden Auge"