In den vergangenen Tagen gab es eine rege öffentliche, aber leider in großen Teilen unsachliche Diskussion über das zusätzliche Schulangebot unseres Vereins für unseren Nachwuchs. Hierzu hat unser Präsident Wolfgang Dietrich am Mittwoch einen offenen Brief an die zuständigen Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Wettbewerb im Profi-Fußball hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Veränderter Wettbewerb bedeutet für die Verantwortlichen auch: Neue Antworten auf neue Anforderungen.
Der VfB Stuttgart ist mit einer teilweise neuen Führung derzeit dabei, neue Antworten zu finden, sie umzusetzen und verloren gegangenes Terrain wieder aufzuholen. Dazu gehört seit Beginn dieser Saison unter anderem eine Optimierung des Nachwuchsbereiches, um dauerhaft konkurrenzfähig zu sein. Der VfB wird auf Dauer nur wettbewerbsfähig sein, wenn er sich wieder stärker auf die Förderung seines Nachwuchses konzentriert.
Dabei ist uns natürlich bewusst, dass nicht jeder unserer Jugendspieler am Ende ein Bundesligaprofi werden kann. Wir müssen unserer Verantwortung gegenüber allen unseren Jugendspielern gerecht werden, zumal es auch rein zeitlich völlig unterschiedliche Formen der Entwicklung gibt. Man weiß bei einem 15-Jährigen noch nicht, ob er am Ende den Sprung in den Lizenzspielerkader schafft. Auch hier hat sich der Fußball in den vergangenen fünf Jahren erheblich verändert.
Es ist allgemeine Erkenntnis: Je mehr Individualität bei der Ausbildung der einzelnen Spieler, je mehr Möglichkeiten angeboten werden – umso größer werden die Chancen für den jeweiligen Spieler. Und zwar völlig unabhängig davon, ob er am Ende Profi wird oder nicht. Auch in der Beziehung Eltern und Jugendspieler zum Verein hat sich einiges gravierend verändert, was speziell in unserem konkreten Fall anscheinend noch nicht in der Öffentlichkeit angekommen ist.
Nur zur kurzen Erklärung: Kein einziges Kind, bzw. kein einziges Elternteil wird sich von einem Verein vorschreiben lassen, welches Schulsystem besucht werden soll. Das Talent würde, sollte dies gegen seinen Willen geschehen, sofort zu einem Konkurrenzverein wechseln. Allen Beteiligten geht es ausschließlich um die optimalen Bedingungen für das jeweilige Talent.
Auch deshalb steht für uns immer das Wohl des Spielers im Mittelpunkt. Wir vom VfB Stuttgart gehen sehr verantwortungsvoll mit unseren Jugendspielern um und haben deshalb nach einem langen Prozess im Dezember 2016 entschieden, das schulische Angebot für unsere Spieler zu erweitern, in dem wir ihnen zusätzlich zum staatlichen Schulsystem den Besuch der privaten Kolping-Akademie anbieten.
Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des Angebotes – nicht um eine Aufkündigung oder ähnliches.
Dies haben wir in den dafür verantwortlichen Gremien des Vereins nach reiflicher Überlegung und unter Abwägung aller Gesichtspunkte entschieden. Die Argumente haben wir denjenigen, die es betrifft und auch der Öffentlichkeit, mitgeteilt.
Wir sind und bleiben der Meinung, ein weiteres attraktives Angebot für eine bestimmte Gruppe an Spielern zu haben, von denen die Spieler Gebrauch machen können – wenn sie die Argumente überzeugen und wenn sie davon Gebrauch machen wollen. Wir haben nichts in Frage gestellt, wir haben uns nicht gegen ein System entschieden, wir haben auch nicht gegen die Solidarität des Sports verstoßen.
Die von den Mitgliedern gewählte Vereinsführung ist geradezu dazu verpflichtet, Felder wie die Nachwuchsarbeit zu optimieren, vor allem wenn – wie in diesem Falle – dabei nicht gegen Regeln verstoßen wird. Im Gegenteil: Wir entlasten damit sogar teilweise personell und finanziell das staatliche Schulsystem, in dem wir alle Kosten für die auf die Kolping-Akademie gehenden Spieler selbst tragen.
Durch einige Veröffentlichungen wurde in den vergangenen Tagen leider ein völlig falscher Eindruck in die Öffentlichkeit getragen. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung der teilweise öffentlich diskutierten Fragestellungen:
Falsch ist: Es wird öffentlich der Eindruck erweckt, der VfB Stuttgart beende die Partnerschaft mit den Stuttgarter Eliteschulen des Sports bzw. des Fußballs und schicke seine Spieler auf die Kolping-Akademie.
Richtig ist: Der VfB erweitert seine bestehende Partnerschaft zusätzlich zum Angebot der Staatsschulen mit den Stuttgarter Schulen und bietet den Spielern jetzt zusätzlich die Möglichkeit an, die Kolping-Akademie zu besuchen.
Falsch ist: Es wird der Eindruck erweckt, der VfB schicke seine Jugendspieler in Zukunft ausschließlich auf die Kolping-Akademie.
Richtig ist: Nur die Eltern und die Spieler entscheiden darüber, welche Schule die Spieler besuchen. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in der Zukunft so bleiben.
Falsch ist: Es wird berichtet, wir hätten eine Entscheidung gegen das System der Eliteschulen des Sports getroffen.
Richtig ist: Wir haben keine Entscheidung gegen irgendetwas getroffen, sondern wir haben eine Entscheidung für die Optimierung unserer Arbeit im Nachwuchsbereich getroffen und sie um ein zusätzliches Angebot erweitert.
Falsch ist: Es wird der Eindruck erweckt, der VfB hätte nicht korrekt kommuniziert.
Richtig ist: Der VfB Stuttgart hat – wie im übrigen auch bei den Spielertransfers und bei allen anderen Entscheidungen in den vergangenen Monaten – den richtigen Weg eingehalten. Er hat erst intern gearbeitet und dann gehandelt. Dann wurden zuerst die Eltern und die Spieler informiert. Anschließend wurden auch alle weiteren Kommunikationslinien eingehalten: Der Präsident hat mit den zuständigen Bürgermeistern der Stadt gesprochen, die Jugendleiter mit den Schulen und den weiteren Partnern.
Falsch ist: Es wird der Eindruck erweckt, der VfB würde hier einen völlig neuen Weg einschlagen und die Interessen anderer Sportarten und der Partnerschulen nicht ausreichend berücksichtigen.
Richtig ist: Bereits heute gehen verschiedene Jugendspieler des VfB an der Kolping-Akademie zur Schule. Einer davon hat dort beispielsweise bereits das Abitur abgelegt. Darüber hinaus sind wir nach vielen Gesprächen mit den zuständigen Fachleuten nach wie vor davon überzeugt, dass sich weder für die Athleten aus den anderen Sportarten noch für die Partnerschulen Nachteile aus unserem Vorgehen ergeben werden.
Falsch ist: Es wird teilweise der Eindruck erweckt, der VfB Stuttgart nehme für die schulische Ausbildung seiner Nachwuchsspieler öffentliche Mittel in Anspruch.
Richtig ist: Das wäre bei der bisherigen Konzentration auf die Eliteschulen des Sports bzw. des Fußballs so und würde dort auch so bleiben. Bei der erweiterten Zusammenarbeit mit dem Kolping Bildungswerk kommt ausschließlich der VfB Stuttgart für die Kosten auf.
Falsch ist: Es wird teilweise der Eindruck erweckt, der VfB Stuttgart würde schulisches Neuland betreten und Experimente zu Lasten der Spieler machen.
Richtig ist: Das Kolping-Bildungswerk ist einer der bedeutendsten Bildungsträger in Baden-Württemberg, zudem ist die freie Schulwahl ein grundsätzliches Recht der Eltern.