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Profis, 11. Juli 2020

Talent mit Kämpferherz

Tattoos sagen oft viel über den Lebensweg eines Menschen aus. Ganz besonders gilt das im Fall von Darko Churlinov. Auf der rechten Wade des VfB Profis, der an diesem Samstag seinen 20. Geburtstag feiert, befindet sich ein Bild seines sechs Jahre älteren Bruders Boris wie dieser Fußball spielt. Auf die Außenseite seines linken Unterarms hat er sich einen Krieger in voller Kampfmontur stechen lassen. Und die Innenseite ziert das Konterfei eines Löwen, über dem die Worte „Soul of a lion“ („Seele eines Löwen“) stehen. „Ich habe mir vor knapp zwei Jahren das erste Tattoo stechen lassen, das von meinem Bruder. Er hat mich zum Fußball gebracht, mir fußballerisch sehr viel beigebracht und immer auf mich aufgepasst“, erklärt Darko Churlinov, „der Krieger mit der typischen Maske, die nordmazedonische Fußballfans bei Länderspielen tragen, und der Löwe kamen später hinzu. Sie stehen für alles, was ich bislang erlebt habe. Und dafür, dass ich mich immer durchs Leben gekämpft habe.“ Denn im Laufe der Jahre hat Darko Churlinov, geboren und aufgewachsen in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje, schon mehrmals eindrucksvoll ein großes Kämpferherz gezeigt, allen noch so großen Widrigkeiten getrotzt – und ist dadurch seinen Weg in den Profifußball gegangen.

Die Fußballkarriere von Darko Churlinov hatte noch nicht so richtig begonnen, da musste er sich schon das erste Mal behaupten. Als er drei Jahre alt war, begleitete er stets seinen Bruder zu dessen Training in der nur fünf Gehminuten vom Elternhaus entfernt gelegenen Fußballschule FK Forca.

Anfangs schaute er nur begeistert zu, schon bald ließ ihn der Trainer aber auch mitkicken. Als er fünf Jahre alt war, bestritt er sein erstes Ligaspiel – in der Mannschaft seines Bruders. Die einige Jahre älteren Mitspieler und Gegner waren ihm zwar körperlich überlegen, weil Darko Churlinov aber vor allem pfeilschnell war, konnte er trotzdem mithalten. Er machte sich dabei sogar so gut, dass 2010 ein Jugendtrainer des FK Rabotnicki auf ihn aufmerksam wurde und ihn zu dem in Skopje beheimateten Traditionsverein holte.

Als jener Trainer im Jahr darauf zum Rekordmeister FK Vardar wechselte, nahm er das junge, aufstrebende Talent, inzwischen elf Jahre alt, gleich mit. Die fußballerische Ausbildung bei den beiden Topvereinen der Hauptstadt brachte Darko Churlinov enorm weiter. Die Zeit bei FK Rabotnicki sollte später aber sein Leben für immer verändern.

Wichtige Wechsel, aber auch zwei Rückschläge

Die Euphorie war jedoch bald dahin. Weil Nordmazedonien nicht zur EU gehört, gab es lange Zeit Probleme mit seiner Spielberechtigung. Zudem fühlte er sich in der Stadt und im Verein nicht wohl, wurde von den Mannschaftskollegen teilweise gar geschnitten. „Es war eine sehr harte Zeit für mich“, sagt er, „ich konnte meinen Eltern auch nicht die ganze Wahrheit erzählen, weil sie mich sonst sofort zurückgeholt hätten. Ich wollte es aber unbedingt durchziehen und in Deutschland Fuß fassen.“ Dank der Beziehungen von einem der wenigen Helfer in der neuen Heimat ergab sich im Jahr darauf die Möglichkeit, in die Nachwuchsabteilung des 1. FC Magdeburg zu wechseln.

Ein Schritt, den sich der Teenager nicht zweimal überlegen musste – und der seine Fußballkarriere in eine ganz neue Richtung lenkte. Denn von nun an ging es für ihn bergauf. Gleich im ersten Jahr im Magdeburger Trikot zeigte er in der U17-Bundesliga so gute Leistungen, dass der 1. FC Köln auf ihn aufmerksam wurde und ihn kurz nach Beginn der neuen Saison im August 2016 verpflichtete.

Beim Bundesligisten vom Rhein startete Darko Churlinov, der gleich im U19-Bundesligateam eingesetzt wurde, obwohl der 16-Jährige noch ein Jahr in der U17 hätte spielen dürfen, so richtig durch. Bis es jedoch soweit war, folgten zwei Rückschläge, die zu einer weiteren großen Bewährungsprobe wurden. Zunächst gab es wieder Probleme mit der Spielberechtigung. Und als er im November endlich sein erstes Punktspiel im FC-Trikot bestreiten konnte, erlitt er Sekunden vor dem Abpfiff beim Sturz nach einem Foul einen Schlüsselbeinbruch.

Die bittere Folge: eine erneut mehrmonatige Zwangspause. Diese Episode führte auch dazu, dass er seither immer mit einem bandagierten Handgelenk aufläuft. „Ich trage immer eine Kreuzkette am Handgelenk. Einmal musste ich sie vor dem Spiel ausziehen – das war die Partie, in der ich mir das Schlüsselbein gebrochen habe“, erklärt er, „deshalb tape ich mir nun mein Handgelenk immer so, dass ich sie darunter auch beim Fußball tragen kann.“

Darko Churlinov:

Zuhause haben wir früher immer Bundesliga geschaut. Ich war schon damals ein großer Fan vom VfB und von Mario Gomez.

VfB Fan seit Jugendtagen

Als er im Februar 2017 wieder genesen war, lief es so richtig rund. In der U19 der Geißböcke avancierte er schnell zu einem wichtigen Spieler und war die nächsten zweieinhalb Jahre aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken. In der Saison 2018/2019 wurde er gar mit 18 Treffern in 23 Spielen Torschützenkönig der U19-Bundesliga West. Im März 2017 gab Darko Churlinov, der in den verschiedenen Altersklassen allen Nationalteams seines Heimatlandes angehörte, beim Freundschaftsspiel gegen Weißrussland als 16-Jähriger sein Länderspieldebüt in der A-Nationalmannschaft.

Seither stand er bereits sechs weitere Male im Aufgebot des Nationalteams, kam dabei aber nicht zum Einsatz. Aktuell ist er in der nordmazedonischen U21 eine feste Größe. Und damit nicht genug. Im vergangenen August absolvierte er wenige Wochen nach seinem 19. Geburtstag gleich am ersten Spieltag der Saison sein erstes Bundesligaspiel. In der Partie des FC gegen den VfL Wolfsburg kam er für 20 Minuten zum Einsatz. Chapeau!

Es sollte jedoch der letzte Höhepunkt im Trikot des 1. FC Köln sein. „Die Zeit in Köln war gut bis zum Schluss“, sagt er, „irgendwann hatte ich aber nicht mehr das Gefühl, dass es dort im Profikader einen Platz für mich geben wird. Deshalb war ich überzeugt, dass es für meine persönliche Entwicklung besser ist, wenn ich zum VfB wechsle.“

Dieser Schritt, den er Anfang Januar vollzog, war für ihn alles andere als ein schwieriger. Schließlich ging es zu einem Verein, für den er sich schon immer brennend interessierte. Eine derartige Aussage gehört zwar im Grunde bei jedem Vereinswechsel zum Standardvokabular eines Spielers, im Fall von Darko Churlinov ist es jedoch weit mehr als nur ein lieb gemeinter Satz. Und so zückt er sein Smartphone und liefert prompt einen eindrucksvollen Beweis: ein Foto, das ihn als jungen Teenie mit seinen Freunden beim Kicken auf einem Bolzplatz in Skopje zeigt – und auf dem Darko Churlinov ein VfB Trikot trägt.

„Zuhause haben wir früher immer Bundesliga geschaut. Ich war schon damals ein großer Fan vom VfB und von Mario Gomez“, sagt er. Er meint es ernst und muss dabei aber auch sofort herzhaft lachen. Denn genau das hat er Mario Gomez seit seinem Wechsel zum VfB auch schon mehrmals persönlich gesagt, was sein Teamkollege dann – typisch Mario Gomez – stets mit einem frechen Spruch quittiert.

Und überhaupt hat Darko Churlinov dieser Tage stets einen fröhlichen Gesichtsausdruck, wenn er über seine sportliche Situation und den Alltag in Stuttgart spricht. Auch wenn er bislang erst viermal im Zweitligateam eingewechselt wurde und Anfang März einmal in der U21 zum Einsatz kam. „Natürlich willst du möglichst immer spielen, aber ich bin erst 19 Jahre alt und bestreite meine erste Profisaison. Daher bin ich geduldig. Klar geht es immer besser, aber ich habe nun mein erstes Tor gemacht und nach den Einwechslungen immer gezeigt, was ich kann – ich bin zufrieden, es ist eine gute Saison für mich“, sagt er demütig, „außerdem fühle ich mich in der Stadt und im Verein sehr wohl. Das hilft mir dabei, meine Ziele zu erreichen: immer mein Bestes zu geben und mit dem VfB aufzusteigen.“

Info

Dieses Portrait ist erstmals in der 15. Ausgabe der stadion aktuell 2019/2020 zum Heimspiel gegen den VfL Osnabrück erschienen. Darko Churlinov kam in der abgelaufenen Saison zu sechs Einsätzen, in denen er ein Tor erzielte. An diesem Samstag feiert er seinen 20. Geburtstag.