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Gonzalo Castro: Der VfB Kapitän im Portrait

Seit der aktuellen Saison führt Gonzalo Castro unsere Mannschaft als Kapitän auf den Platz. Die Stationen seiner bisherigen Fußballerkarriere lest ihr hier.

Einen seiner größten Momente seiner Karriere hatte Gonzalo Castro seinem ehemaligen Teamkollegen Clemens Fritz zu verdanken. Es war der 22. Februar 2005, ein paar Minuten vor dem Anpfiff des Achtelfinal-Hinspiels in der Champions League zwischen dem FC Liverpool und Bayer Leverkusen. Wenige Wochen zuvor hatte Gonzalo Castro, damals 17 Jahre jung, im Trikot der Werkself sein Bundesligadebüt bestritten. Nun saß er in der Kabine in Liverpool und hatte eigentlich nicht so richtig Lust auf das, was ihm sein erfahrener Mitspieler Clemens Fritz vorschlug. Denn der redete ununterbrochen auf ihn ein, dass sie – an diesem Abend beide Ersatzspieler – schon jetzt raus zur Ersatzbank gehen. Doch Gonzalo Castro winkte zunächst ab, es sei ja auch so kalt. Clemens Fritz gab nicht auf sodass Gonzalo irgendwann nachgab.  Und so marschierten sie los ins Stadion und erlebten bei Liverpools legendärem Fangesang „You`ll Never Walk Alone“ einen absoluten Gänsehautmoment. „Das war unfassbar, sehr beeindruckend“, erinnert sich Gonzalo Castro, „ich bin sehr dankbar, dass er mich damals rausgeschleppt hat.“ Die Atmosphäre, die er aufsaugte, spornte ihn ab sofort nur noch umso mehr an. Und zwei Wochen später war es im Rückspiel soweit: Champions League-Debüt mit 17. Es war der Anfang einer Profikarriere, die bislang nahezu perfekt verlief und schon so einige Höhepunkte hatte.

Eine Karriere, in der es aber nicht immer nur bergauf ging. Zum Ende seiner Zeit als Jugendspieler schien Gonzalo Castro zwar die Welt zu Füßen zu liegen, schon bald sollte sein steiler Aufstieg aber ins Stocken geraten. Trainer Klaus Augenthaler beförderte den Teenager im Januar 2005 ins Profiteam und setzte ihn regelmäßig in der Startelf ein. Ziemlich genau ein Jahr später wendete sich jedoch das Blatt. Inzwischen war Michael Skibbe Trainer geworden.  Anfangs stellte auch er Gonzalo Castro von Beginn an auf. Doch schon bald setzte er nicht mehr auf ihn und versetzte den 18-Jährigen schließlich in die zweite Mannschaft. „Ich musste das alles erst einmal verarbeiten. Ich war der Shootingstar und in jungen Jahren schon Stammspieler bei einem Bundesliga-Topteam, aber dann kam ich kaum mehr zum Einsatz und sollte Spielpraxis in der Regionalliga sammeln“, blickt Gonzalo Castro zurück, „klar war das am Anfang für mich eine schwierige Situation, aber solche Phasen gibt es immer wieder. Es gelingt nur den wenigsten, dass sie schon mit 17, 18 in der höchsten Liga spielen und dann bis zu ihrem Karriereende Stammspieler sind. Rückblickend betrachtet hat mich diese Zeit damals nur stärker gemacht hat.“

Gonzalo war dafür bekannt, dass er in den schweren Phasen seiner Laufbahn, nie die Schuld auf jemanden anderen schob, sondern die Lösungen bei sich sucht. „Höhen und Tiefen gibt es immer. Es ist nur die Frage, wie du mit schwierigen Phasen umgehst“, sagte er, „wenn du drinsteckst, ist es natürlich nicht einfach. Aber wenn du einen Weg findest und es selbst schaffst, da wieder rauszukommen, fallen dir die nächsten Aufgaben leichter. Man lernt aber auch damit umzugehen.“ Allzu viel lernen musste Gonzalo Castro dazu allerdings nicht. Denn im Grunde hat der 31-Jährige bislang eine Profikarriere erlebt, von der viele Profifußballer nur träumen können. So hatte er beispielsweise als 26-Jähriger so viele Bundesligaspiele absolviert wie noch nie jemand in diesem Alter. Hinzu kommen 32 Einsätze in der Champions League, 52 in der Europa League oder im UEFA-Pokal sowie fünf Länderspiele. Bei seinem ersten Auftritt in der A-Nationalmannschaft war er erst 19 Jahre alt. Und das sind nur mal ein paar von vielen beeindruckenden Zahlen. Aber auch an Titeln fehlt es in seiner Vita keineswegs. Zweimal Vizemeister, einmal DFB-Pokalsieger, zweimal DFB-Pokalfinalist sowie U21-Europameister. Und nicht ganz unwichtig: Gonzalo Castro blieb in all den Jahren von schweren Verletzungen stets verschont. „Ich bin sehr, sehr zufrieden, wie alles gelaufen ist. Vor allem weil es früher auch nicht selbstverständlich war, dass du als junger Spieler regelmäßige Einsatzzeiten bekommst“, sagt er, „da hat sich der Fußball gewandelt. Heute sucht man nach Talenten und setzt sie direkt ein. Ich hatte damals eine Chance bekommen, weil ich zum einen relativ flexibel war, auf welcher Position ich spiele, und zum anderen zwei, drei Spieler verletzt waren.“ Und weil er selbstverständlich sehr talentiert war.

Genau das erkannten die Talentsucher von Bayer Leverkusen schon früh. Und so kam es, als Gonzalo Castro als Zwölfjähriger mit seinem damaligen Verein Bayer Wuppertal an einem Turnier teilgenommen hatte, in einer der Umkleidekabinen zu einer Szene, an die er sich noch heute sehr gut erinnert. Denn dort baten der damalige Bayer-Jugendkoordinator Michael Reschke und der damalige Bayer-Jugendtrainer in dieser Altersklasse die Familie Castro um ein Gespräch. Eine Unterhaltung, an deren Ende feststand: Gonzalo Castro spielt künftig in Leverkusen. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erweisen sollte. Auch wenn mit ihr so einige Umstände verbunden waren. Denn bis er 16 Jahre alt war, blieb er bei seiner Familie in Wuppertal wohnen und wurde vom Fahrdienst des Bundesligisten hin und her chauffiert. Sein Pech: Er war nachmittags stets der Erste, der in den Bus einstieg, und abends der Letzte, der wieder zuhause abgesetzt wurde. Als er 16 war, zog er zu einer Gastfamilie nach Leverkusen. Mit ihnen steht Gonzalo Castro noch heute in Kontakt und ist ihnen sehr dankbar, weil sie sich damals so toll um ihn gekümmert hatten. Sie unterstützten ihn, wo es nur ging. Nicht zuletzt auch dabei, dass er parallel zu seiner fußballerischen Ausbildung bei Bayer Leverkusen eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann abschloss. Denn das war ein zentraler Wunsch von Gonzalo Castros Mutter gewesen, die dem Wechsel von Bayer Wuppertal zu Bayer Leverkusen anfangs skeptisch gegenüberstand. Er verfolgte außerdem einen anderen Wunsch. Den Traum vom Profifußballer. Sein großes Vorbild war Fernando Redondo, in den 90er Jahren defensiver Mittelfeldspieler bei Real Madrid. Mit ihm konnte sich Gonzalo Castro schon immer gut identifizieren. Weil er ein richtig guter Fußballer war. Weil er auf derselben Position spielte wie er. Und weil er nie der flippigste Star war – und damit auch vom Typ her gut zu dem ebenfalls eher ruhiger auftretenden Gonzalo Castro passt.

Nach 16 Jahren bei Bayer Leverkusen, nach wenigen Tiefs und ganz vielen Hochs war für Gonzalo Castro jedoch im Sommer 2015 beim Werksclub Schluss. Schon länger hatte er sich einen Wechsel nach Spanien gewünscht. Weil nahezu alle spanischen Vereine damals jedoch aufgrund der Finanzkrise in Schwierigkeiten steckten, war ein Wechsel ins Heimatland seiner Eltern nie zustande gekommen. Dafür wechselte er nun zu Borussia Dortmund und erlebte dort eine meist erfolgreiche und vor allem auch prägende Zeit. Denn anders als bei Bayer Leverkusen, wo er alles und jeden ganz genau kannte, war nun auf einmal alles und jeder neu. „Es war eine gute Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe. Ich habe mich als Spieler und als Person weiterentwickelt“, sagt er, „und wenn du dann auch noch Erfolg hast, macht das die Zeit natürlich umso schöner.“

Unabhängig davon verlief die Saison 18/19 für Gonzalo Castro beim BVB nicht mehr so wie er es sich gewünscht hatte. Zwar gehörte er in der ersten Saisonhälfte zur Stammmannschaft, kam aber im Laufe der Saison immer weniger zum Einsatz. Gleichzeitig schweifte sein Blick immer öfter nach Stuttgart. Er verfolgte den Weg des VfB immer intensiver und war von dessen erfolgreicher Rückrunde sowie der Rahmenbedingungen in Stuttgart immer mehr beeindruckt. Nach einem ersten Kontakt nahm der Wechsel immer konkretere Formen an. Erst recht, nachdem ihm auch noch sein ehemaliger Mitspieler Ömer Toprak nur Positives über den damaligen VfB Trainer Tayfun Korkut erzählt hatte. Und nicht nur in Bezug auf die sportliche Perspektive passte es. Die Rahmenbedingungen stimmten für den 33-Jährigen und so entschied er sich für einen Wechsel. Nach dem bitteren Abstieg in seiner ersten Saison beim VfB und dem direkten Wiederaufstieg, ist Gonzo seit dieser Spielzeit Kapitän der jungen VfB Truppe. „Die Ernennung kam für mich überraschend. Es ist eine große Ehre für mich und ich fühle mich dadurch auch ein bisschen jünger“, lacht Gonzalo. „Es ist eine neue Erfahrung und macht mir viel Spaß, den Jüngeren in unserer Mannschaft zu helfen. Sie können etwas von mir lernen – aber ich kann auch etwas von ihnen lernen.“ Und wenn alles nach Plan läuft bestreitet der VfB Kapitän schon bald sein 400. Bundesligaspiel. „Diese Zahl ist haben nicht viele geschafft. Zu Beginn meiner Fußballkarriere hatte ich es mir nie erträumen lassen, dass ich diese Zahl eines Tages erreiche“, sagt er stolz. Nun setzt er alles daran, dass die aktuelle Saison weiterhin so erfolgreich verläuft wie bisher und sich die junge VfB Truppe weiter so toll entwickelt.