Rund um den Pokalsieg von 1997 gibt es so viele nette Anekdoten, dass es schwerfällt, sich für eine zu entscheiden. Da ist zum Beispiel die, wie Joachim Löw seine Haare verlor. Monate zuvor hatte sich der heutige Bundestrainer und damalige VfB Coach auf die Wette eingelassen, dass er bei einem Titelgewinn seiner Mannschaft seine Haarpracht opfert. Also griffen Gerhard Poschner und Thomas Schneider am Tag nach dem Pokalsieg bei der Feier auf dem Stuttgarter Rathausbalkon zum Rasierer und schoren ihn kahl. Die Menge unten auf dem Marktplatz johlte. Joachim Löw war „bedient“.
Da ist die Anekdote, dass unter anderem Fredi Bobic, Giovane Elber, Thorsten Legat und Thomas Schneider am Ende des glorreichen Tages bei der Abfahrt aus dem Berliner Olympiastadion plötzlich mit rot gefärbten Haaren dastanden und Thomas Berthold scherzte: „In der Kabine sieht es aus wie in der Lackiererei von Mercedes-Benz.“ Oder die Story, dass Joachim Löw auf dem wenige Minuten nach Spielschluss entstandenen offiziellen Siegerfoto gar nicht abgelichtet ist, weil er zu diesem Zeitpunkt noch beim Fernsehinterview war. Vor allem gibt es aber auch jene emotionale Geschichte mit Giovane Elber. Denn nicht allzu lange vor dem Endspiel in Berlin hatte der Stürmer, damals berühmt und vor allem von der VfB Fangemeinde verehrt als Bestandteil des magischen Dreiecks, seinen Wechsel am Saisonende zu Bayern München bekannt gegeben. Eine Entscheidung, die so manchem VfB Anhänger sauer aufstieß. Und so war es rührend, ja fast schon kitschig, dass ausgerechnet er beim Finale im Olympiastadion zum Spieler des Tages avancierte – und dem VfB mit zwei Treffern in der 18. und 52. Minute den 2:0-Erfolg bescherte. „Nach dem ersten Tor ist mir eine Riesenlast von den Schultern gefallen. Danach habe ich mich sicherer gefühlt“, blickt Giovane Elber zurück, „ich habe an diesem Tag allen gezeigt, dass ich bis zur letzten Minute für den VfB da bin.“ Der Titelgewinn, umrahmt mit dem Gefühl dieser Genugtuung, sei für ihn „die Krönung von drei wunderschönen Jahren in Stuttgart“ gewesen.
Torhüter Franz Wohlfahrt avanciert zum Elfmeterschützen
Bei aller Emotionalität um Giovane Elber wäre es jedoch nicht angemessen, den Triumph im DFB-Pokal nur auf ihn zu reduzieren. Der VfB hatte es den guten Leistungen von jedem einzelnen im Laufe dieser Pokal-Saison eingesetzten VfB Spieler zu verdanken, dass er ins Endspiel einzog. Den defensiven Spielern, weil sie im gesamten Pokalwettbewerb in der regulären Spielzeit in sechs Partien nur drei Gegentore zuließen. Den Offensivkräften, weil sie demgegenüber acht Tore erzielten. Und vor allem auch den Spielern, die gleich mehrmals ihre Nervenstärke bewiesen. Immerhin musste der VfB in der ersten Runde gegen Fortuna Köln, in der zweiten Runde bei Hertha BSC sowie im Viertelfinale beim SC Freiburg gleich dreimal ins Elfmeterschießen.
Besonders auffällig dabei: Torhüter Franz Wohlfahrt hielt nicht nur den einen oder anderen Ball, sondern verwandelte selbst auch gleich zwei Elfmeter. „Beim Spiel in Berlin waren wir nach den Platzverweisen gegen Giovane Elber und Zvonimir Soldo ab etwa Mitte der zweiten Hälfte zwei weniger“, blickt Franz Wohlfahrt zurück, „nach der Verlängerung kam Torwarttrainer Jochen Rücker zu mir und hat mich gefragt, ob ich auch einen Elfmeter schießen würde, weil die meisten Spieler wegen der langen Zeit in doppelter Unterzahl kaputt sind.“ Franz Wohlfahrts Antwort, ganz typisch für ihn mit einem kessen Spruch garniert: „Klar! Aber ich schieße nur als Vierter – dann braucht unser fünfter Mann nicht mehr schießen.“ Ein paar Minuten später trat der VfB Torhüter tatsächlich als vierter VfB Schütze an, verwandelte souverän und war fortan als Elfmeterschütze fix gebucht.
Und er trug damit bei, den Weg zum wichtigsten Erfolg seiner Karriere, die auch sechs Meisterschaften und vier Pokalsiege in Österreich beinhaltet, zu ebnen. „Dieser Pokalsieg war nicht nur ein, sondern DER Höhepunkt meiner Karriere. Er steht für mich in der Bedeutung über meinen Erfolgen in Österreich. Deshalb erinnere ich mich auch 20 Jahre danach noch immer gerne daran – und die Feierlichkeiten vergisst du natürlich auch nicht mehr“, sagt der ehemalige VfB Keeper, „mit einigen von damals bin ich noch heute gut befreundet, andere habe ich seither nicht mehr groß gesehen. Ich freue mich sehr darauf, nun einige von ihnen mal wieder zu treffen.“
14. Juni 1997, Olympiastadion Berlin
VfB Stuttgart – FC Energie Cottbus 2:0 (1:0)
VfB Stuttgart: Franz Wohlfahrt, Marco Haber, Frank Verlaat, Thomas Berthold, Matthias Hagner (71. Thomas Schneider), Zvonimir Soldo, Krassimir Balakov, Gerhard Poschner, Thorsten Legat, Giovane Elber (90. Danny Schwarz), Fredi Bobic (81. Radoslaw Gilewicz)
Trainer: Joachim Löw
FC Energie Cottbus: Kay Wehner, Thomas Hoßmang, Sven Benken, Jens Melzig, Ingolf Schneider (65. Igor Lazić), Detlef Irrgang, Willi Kronhardt, Jens-Uwe Zöphel, Jörg Woltmann (81. Moses Enguelle), Toralf Konetzke, Frank Seifert (65. Matthias Zimmerling)
Trainer: Eduard Geyer
Tore: 1:0 Elber (18.), 2:0 Elber (52.)