Der Hamburger SV ist Uwe Seelers Verein. Für die erste Mannschaft des Klubs mit der Raute im Wappen lief er 1953 als 16-Jähriger erstmals in einem Freundschaftsspiel auf – und wechselte bis 1972 nie den Verein. Er wurde mit dem HSV 1960 Deutscher Meister und 1963 Deutscher Pokalsieger. Der 77-jährige mehrmalige Fußballer des Jahres und Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft war zudem von 1995 bis 1998 Präsident der Norddeutschen. Auch heute fiebert er mit den Hamburgern mit. Im Interview mit www.vfb.de spricht er über das Duell zwischen dem VfB und dem Hamburger SV an diesem Samstag (15.30 Uhr) in der Mercedes-Benz Arena, den Abstiegskampf sowie Huub Stevens.
Hallo Herr Seeler, können Sie sich eine Bundesliga ohne den Hamburger SV und den VfB Stuttgart vorstellen?
Uwe Seeler: "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Beide Vereine gehören einfach in das Fußballoberhaus. Daher hoffe ich auch darauf, dass sie den Klassenverbleib schaffen."
Sie hoffen darauf, glauben Sie auch daran?
Uwe Seeler: "Bekanntlich stirbt die Hoffnung immer zuletzt. Es wird für beide Vereine aber noch ein langer Weg."
Ein Weg bis zum Saisonende?
Uwe Seeler: "Das ist schwierig abzuschätzen. Aufgrund der Tatsache, dass beide Mannschaften noch einige Zähler brauchen, wird es sich vermutlich bis zum Ende ziehen."
Worin sehen Sie die Gründe, dass in dieser Saison mit dem VfB, dem Hamburger SV, dem SV Werder Bremen und Eintracht Frankfurt gleich mehrere Traditionsvereine im Tabellenkeller stehen?
Uwe Seeler: "Da spielt bei dem einen oder anderen Verein auch das Verletzungspech eine Rolle. Generell sollte sich aber jeder Klub in einer solchen Phase die Frage stellen, welche Fehler gemacht wurden. Das kann ich als Außenstehender natürlich nicht bewerten. Was den HSV betrifft, glaube ich allerdings, dass ganz allgemein verschiedene Punkte unterschätzt wurden. Ich bin aber auch der Meinung, dass man in der aktuellen Saison das Positive hervorheben sollte. Hier hat mir der Hamburger SV in der Partie gegen den 1. FC Nürnberg (2:1 Anm.d.Red.) gut gefallen. Die Spieler haben gekämpft und waren laufstark. Sie wissen, dass sie als Mannschaft zusammenstehen müssen. Es gilt nun, alle Kräfte zu bündeln und zu kämpfen."
Uwe Seeler erzielte 43 Tore in 72 DFB-Spielen.
Sie sagen, der Verein habe verschiedene Punkte unterschätzt. Wie beurteilen Sie die Situation beim HSV?
Uwe Seeler: "Unter dem neuen Trainer Mirko Slomka hat sich die Lage zum Positiven verändert. Ich hoffe, dass dies auch in den kommenden Wochen so bleibt."
Das Fußballmagazin 11Freunde hat im Februar einen Artikel folgendermaßen betitelt: "Warum sich Uwe Seeler keine Sorgen um den HSV machen muss." Sind Sie dennoch besorgt?
Uwe Seeler: "Es ist zweifellos so, dass man sich sorgt, da es noch ein langer Weg für den Verein bis zum Klassenverbleib ist. Bei Heimspielen fiebere ich im Stadion mit, bei Auswärtsspielen schaue ich die Partie, wo auch immer ich mich aufhalte, im Fernsehen und drücke die Daumen. Mehr kann ich leider nicht tun."
Während die Meisterschaft so gut wie entschieden ist, kämpfen noch zahlreiche Teams gegen den Sturz in die 2. Bundesliga. Wird der Abstiegskampf auf Dauer deutlich interessanter als die Vergabe der Deutschen Meisterschaft?
Uwe Seeler: "Derzeit ist es in der Tat so, dass der FC Bayern München führend in der Bundesliga ist. Es kann durchaus sein, dass das Geschehen an der Spitze langweilig wird. Spannend wird sein, wie die anderen Vereine darauf reagieren. Vermutlich ist es aber so, dass der Abstiegskampf in den kommenden Jahren deutlich interessanter sein wird als die Entscheidung in Sachen Meisterschaft."
Am Samstag trifft der VfB in der Mercedes-Benz Arena auf den Hamburger Sportverein, welchen Spielverlauf erwarten Sie?
Uwe Seeler: "Für beide Mannschaften ist es ein wichtiges Spiel. Sie stehen beide unter Druck, weil sie die Punkte brauchen. Es dürfte feststehen, dass beide Teams erst einmal darauf bedacht sind, hinten dichtzuhalten. Aber keine Frage, ich drücke in dieser Begegnung dem HSV die Daumen. In den restlichen Partien wünsche ich dem VfB aber auch viel Erfolg, damit der Verein in der Bundesliga bleibt."
Seit vergangener Woche ist Huub Stevens der neue VfB Trainer. Er war von 2007 bis 2008 Coach in Hamburg. Was halten Sie von ihm?
Uwe Seeler: "Huub Stevens ist ein Fuchs. Er hat Hamburg auch schon einmal aus einer schwierigen Situation herausgeführt. Es ist zu erwarten, dass der VfB gut vorbereitet in das Spiel geht."
Wie können die Spieler mit solchen Drucksituationen umgehen?
Uwe Seeler: "Natürlich ist der Druck im Abstiegskampf nicht gut. Ich bin jedoch der Meinung, dass jeder Profi diesen Druck abkönnen muss."
Sie haben einmal gesagt: "Zu einer guten Demokratie gehört manchmal auch ein bisschen Diktatur." Gilt das besonders im Abstiegskampf?
Uwe Seeler: "Ich glaube schon, dass jede Mannschaft einen Leitwolf braucht, der Prozesse anstößt und die Führung übernimmt."