Als die Vorbereitung auf die Saison 12/13 bei der TSG Hoffenheim begann, fehlte etwas. Erstmals starteten die Profis aus dem Kraichgau in eine Spielzeit, ohne dass Familie Kunkel die Tankstelle unweit des heutigen Nachwuchsleistungszentrums betrieb. Das war in den vergangenen Jahren aber immer so, regelmäßig stoppten die Profis, auch als sie noch Amateure waren, bei Ingrid und Norbert Kunkel, besorgten sich einen Snack vor dem Training, ein Getränk vor der Busfahrt zu einem Auswärtsspiel, eine Portion Trost nach einer Niederlage.
Im Januar hörten die beiden auf, er 67 Jahre, sie 58. „Da ist es dann auch mal gut, und außerdem lohnt sich das Geschäft in dem Gewerbe nicht mehr“, sagt Ingrid Kunkel, bei der auch schon der Bundestrainer Joachim Löw Benzin holte. Die Tankstelle betreibt nun eine andere Familie. Das als einen Grund für den holprigen Saisonstart heranzuziehen, wäre freilich zu viel der Interpretation. Aber sicherlich vermissen die TSG Profis das eine Schwätzchen oder die andere Aufmunterung in der Tankstelle. Jedenfalls vermisst Ingrid Kunkel die Treffen mit "ihren Jungs", wie sie immer wieder sagt.
Kult um die Kunkels
Allerdings hatten es die Profis schon zuvor nicht mehr ganz so nah zu den Kunkels, schließlich waren sie vom ehemaligen Trainingszentrum in Hoffenheim, das einen Steinwurf von der Tankstelle entfernt lag, in das neue in Zuzenhausen umgezogen. Zu diesem Zeitpunkt boomte der Kult um die Kunkels aber schon lange. Auftritte im Fernsehen, Berichte in den Zeitungen – Ingrid und Norbert Kunkel waren Gesichter der TSG Hoffenheim.
War oft bei den Kunkels: Vedad Ibisevic
Auch wenn der Kontakt nun weniger ist, sagt die 58-Jährige: "So schnell vergessen sie uns nicht, und umgekehrt ist das genauso." Schon allein, weil sie mittlerweile in der Rhein-Neckar-Arena im Service arbeitet und ihr Mann Jugendspieler der TSG zu den Trainingseinheiten chauffiert.
Weiter mit viel Herzblut dabei
Bei den Heimspielen feuern sie die Mannschaft im Stadion an, die Auswärtspartien verfolgen die Kunkels im Fernsehen. "Wir sind mit genau so viel Herzblut dabei wie früher, als die Jungs jeden Tag vorbei kamen", sagt Ingrid Kunkel.
Es entstanden schließlich tiefe Verbindungen, da die beiden die TSG schon zu Regionalligazeiten unterstützten. "Wir sind mit den Spielern reingewachsen. Sie waren für uns Alltag, das hat auch ihnen gefallen. Denn wir haben nicht so viel Aufhebens gemacht." Obwohl die Kicker inzwischen Stars geworden waren und die TSG-Fanartikel in der Tankstelle der Renner waren.
Ingrid Kunkel kannte sie aber schon als Amateurfußballer, als junge, neue Spieler. Das verbindet. Bei Carlos Eduardo spürte sie beispielsweise dessen Heimweh. "Man hat immer gemeint, man muss die Spieler beschützen", sagt sie und ergänzt mit einem Lachen: "Ich hatte auch immer Probleme mit Abgängen. Das waren emotionale Momente, wie bei einer Mutter."
"Vedo war immer nett und freundlich"
Ihr ging es ohnehin mehr um das Menschliche als um das Sportliche, um "Mut zusprechen, trösten. Ich war immer hinter den Buben gestanden." So auch in der jüngsten Leistungsdelle. Daher freute sie sich umso mehr über den ersten Saisonsieg am vergangenen Sonntag gegen Hannover, als der neue Manager Andreas Müller erstmals auf der Bank saß.
Ingrid Kunkel sagt dann aber doch etwas zur sportlichen Situation: "Es ist schwierig, weil wir hier immer an die Zeit des Aufstiegs und der Anfangserfolge denken. Vielmehr sollten wir aber daran denken, dass wir noch gar nicht so lange in der Bundesliga sind, dass wir den neuen und jungen Spielern Zeit lassen und auch dem Trainer." Denn für sie steht fest: "Als Fan sollte man immer hinter dem Team stehen."
Bei Ingrid und Norbert Kunkel trifft das sicherlich zu, und sie vergessen die Profis auch nicht, wenn sie den Verein verlassen. Vielmehr freuen sie sich über die Erfolge, beispielsweise über den von Luiz Gustavo beim FC Bayern, oder den von Vedad Ibisevic beim VfB: "Vedo war oft bei uns, hat viel erzählt. Er war immer nett und freundlich. Es ist schön, dass er in Stuttgart gut gestartet ist und Tore schießt", sagt die TSG-Anhängerin. Für Mittwoch wünscht sie sich aber etwas anderes: einen Sieg, denn der fehlt der TSG gegen den VfB bislang noch.